Mitarbeiter-Incentivierung mit Augenmaß!
Foto: Schiedermair

In unserer neuen Serie beschäftigt sich Dr. Leif Gösta Gerling, LL.M. (USA), Rechtsanwalt im Bereich M&A und Corporate Finance und Partner in der Wirtschaftskanzlei LPA-GGV, in Frankfurt, mit juristischen Themen, die die Gründer- und Investorenszene beschäftigen. Im heutigen Teil von Leif Advice geht es um die Chancen und Risiken, die durch Incentivierungsmodelle von Mitarbeitern entstehen können. Solltest du spezielle Fragen zu Rechtsthemen haben, legen wir dir Leifs Ask-me-Anything-Session auf der Startup SAFARI ans Herz. Eure Fragen an Leif und das Team von Schiedermair könnt ihr uns gerne vorab an redaktion@station-frankfurt.de schicken. 

Der Begriff

Unter dem Begriff “Incentivierung” versteht man im unternehmerischen Personalkontext jegliche Form von Anreizschaffung, um einen (potenziellen) Mitarbeiter für das eigene Unternehmen zu gewinnen oder zu erhalten – und zwar ohne, dass dabei eine unmittelbare Gegenleistung in Geld fließt. Eine solche Incentivierung erfolgt üblicherweise durch die Gewährung von Teilhaberechten am Zuwachs des Unternehmenswerts, zu dem der Mitarbeiter durch die eigene Leistungskraft unmittelbar beitragen kann. 

Gerade für junge Unternehmen kann die Incentivierung von Mitarbeitern ein probates Mittel dafür sein, dringend benötigtes Fachpersonal an Bord zu holen, da gerade Startups in der Frühphase grundsätzlich nicht in der Lage sind, marktübliche Spezialisten-Gehälter zu zahlen. Hierdurch sind Beteiligungsmodelle gleichzeitig dazu geeignet, die zumeist begrenzte Liquidität des Unternehmens zu schonen.

Die Herausforderung

Die größte Herausforderung besteht darin, die richtige Form und den richtigen Umfang der Mitarbeiter-Incentivierung zu definieren. Ausschlaggebende Faktoren bei der Auswahl sind neben der Größe des Unternehmens auch dessen Entwicklungsstadium sowie die Zukunftsplanung der Unternehmenseigentümer und des jeweiligen Mitarbeiters selbst. Die am häufigsten anzutreffenden Formen der Mitarbeiter-Incentivierung sind Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaften, die Gewährung virtueller Anteile (sogenannte VSOP-Beteiligungen oder Phantom Stocks) oder die Einräumung einer Call-Option33 auf eine unmittelbare tatsächliche Unternehmensbeteiligung (Employee Stock Option Plans, kurz ESOP) sowie die unmittelbare Gewährung von Anteilen am Unternehmen.

Jede Form der Mitarbeiter-Incentivierung hat jedoch ihre Vor- und Nachteile. So sitzen die Mitarbeiter im Falle der Gewährung von Unternehmensanteilen sprichwörtlich „mit am Tisch“ der Gesellschafter, so dass sie theoretisch und je nach Umfang ihrer Beteiligung auch auf dieser Ebene unmittelbaren Einfluss auf die operativen Geschicke der Gesellschaft haben. Gleiches gilt, wenngleich in abgeschwächter Form, auch für die Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft. Die hiermit verbundene Gewährung von Voting Rights kann zwar mit entsprechenden Satzungsklauseln oder Treuhandschaften kompensiert werden – gleichwohl sind und bleiben sie Gesellschafter der Gesellschaft mit entsprechenden Minderheitsschutzrechten.

VSOP-Beteiligungen und Call-Optionen gehen wiederum mit einer aufwendigen Vertragsgestaltung einher, da insbesondere die Voraussetzungen für die Ausübung der Call-Option oder des Exit-Events beschrieben werden müssen, durch welchen die virtuelle Beteiligung des Mitarbeiters monetarisiert wird. Auch das Thema Dead Equity spielt hier wieder eine Rolle, und zwar insbesondere dann, wenn der betroffene Mitarbeiter aus den Diensten der Gesellschaft ausscheidet, die Incentivierung jedoch nicht unmittelbar an das (Fort-)Bestehen des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses gekoppelt ist.

Die Einschätzung

Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, ganz gleich in welcher Form, haben den großen Vorteil, dass sie einem Unternehmen Zugriff auf qualifiziertes und spezialisiertes Personal bei zunächst (relativ) geringem Kapitaleinsatz ermöglichen und so die Konkurrenzfähigkeit als Arbeitgeber steigern, wenn nicht sogar erst begründen. Darüber hinaus führt eine Mitarbeiterbeteiligung zu einer höheren Identifikation des Mitarbeiters mit dem Unternehmen selbst und idealerweise zu einer Minimierung seiner Wechselwilligkeit. Aber: Beteiligungsprogramme können im Zeitablauf auch zu einer echten Belastung für ein Unternehmen werden. Als Stichwort wurde bereits auf ‘Dead Equity’ hingewiesen. Der Super-GAU in diesem Szenario ist, dass man sich im Unfrieden von einem Mitarbeiter trennt, der jedoch ein (unentziehbares) Recht zur Partizipation am Unternehmen erworben hat – das dürfte kompliziert werden.

Der Rat

Ganz entscheidend ist es deshalb, dass man sich ausführlich über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten zur Mitarbeiter-Incentivierung informiert, um eine angemessene Lösung zu finden, die zu den individuellen Rahmenbedingungen des Unternehmens passt. Denn letztlich bindet man die Gesellschaft gleichermaßen an den Mitarbeiter, wie den Mitarbeiter an die Gesellschaft. Zudem sind detaillierte Vorstellungen und Regelungen notwendig, die definieren, was passieren soll, wenn der Mitarbeiter aus den Diensten der Gesellschaft ausscheidet. Ist dies nicht der Fall, könnte der (ehemalige) Mitarbeiter an einem Unternehmenswertzuwachs partizipieren, zu dem er nicht mehr beigetragen hat.

Insgesamt gilt es deshalb, bei dem Thema Mitarbeiter-Incentivierung nicht inflationär, sondern mit Augenmaß vorzugehen. Soll heißen: Manchmal kann es mehr Sinn machen, einen Mitarbeiter ziehen zu lassen, statt ihn über eine Mitarbeiter-Incentivierung zu einem hohen Preis zu binden. Schließlich besteht auch die Chance, dass mit einem anderen als dem ursprünglich gewollten oder beschäftigten Mitarbeiter frischer Wind ins Unternehmen kommt.

Das Fazit

Die Vorteile von Mitarbeiter-Beteiligungsprogrammen liegen auf der Hand: Sie ermöglichen einem Unternehmen gerade in der Frühphase Flexibilität und Zugriff auf professionelles Fachpersonal, ohne es wirtschaftlich zu stark zu belasten. Bei der Auswahl der jeweils richtigen Form der Incentivierung muss aber stets die Gesamtsituation des Unternehmens betrachtet werden. Gegebenenfalls sind Startups je nach Mitarbeiter auch dazu angewiesen, verschiedene Modelle zu implementieren.

Du hast eine Frage zur Incentivierung von Mitarbeitern oder anderen Aspekten in den Themenfeldern Gründung oder Finanzierung? Dann triff Leif und das Team von Schiedermair am 17. Oktober auf der Startup SAFARI FrankfurtRheinMain im Rahmen seiner AMA (“Ask me anything”) – Session um 9 Uhr. Schicke uns deine Fragen vorab per Mail an redaktion@station-frankfurt zu. Du hast noch kein Ticket zur Startup SAFARI? Dann hier entlang.

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