Werden Mitarbeiterbeteiligungsmodelle steuerlich attraktiver?
Gastautor und Partner der LPA-GGV Matthias Krämer.

Eine neue Gesetzesinitiative („Zukunftsfinanzierungsgesetz-ZuFinG“) soll die Beteiligung von Mitarbeitern am Gewinn und der Wertsteigerung ihres Unternehmens erhöhen. Vollmundige Ankündigungen der zuständigen Minister (Lindner-Finanzen/Buschmann-Justiz) schürten große Erwartungen. Seit August liegt nunmehr der Gesetzentwurf vor. Dies ist Anlass für eine Bestandsaufnahme (Teil I). Handlungsempfehlung folgen in Teil II.

In unserer Serie schreibt Gastautor Matthias Krämer, Rechtsanwalt und Steuerberater im Bereich International Taxation / M&A und Partner der internationalen Wirtschaftskanzlei LPA-GGV in Frankfurt über steuerrechtlichen Themen, die die Gründer- und Investorenszene beschäftigen. Im heutigen Teil geht es um die steuerlichen Neureglungen zur Erhöhung der Attraktivität von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen.

Wird es besser? – Was wird besser?

Die Ausgangslage

Der Umgang Deutschlands mit der Idee, Mitarbeiter am Unternehmenswert zu beteiligen, war bis vor zwei Jahren von Vorstellungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts geprägt. Während schon zur Jahrtausendwende in den USA Stock-Option-Programme als Mittel anerkannt waren, Mitarbeitern Verantwortung für die Entwicklung des Unternehmens zu übertragen und ihre Motivation zu steigern, war Deutschland diesbezüglich noch eine Wüste. Insbesondere für Startups, die zwar hochqualifizierte Fachkräfte benötigen, die aber mit den üblichen Gehältern der etablierten Unternehmen nicht konkurrieren konnten, war dies ein echtes Gründungs – jedenfalls aber Wachstumshindernis. Wirksame Abhilfe wurde erstmals 2021 mit dem Fondsstandortgesetz geschaffen. Das größte Problem, das sogenannte „dry-income“, wurde dabei adressiert. Bis dato wurde nämlich stets ausnahmslos beim Mitarbeiter eine sofortige Gehaltsbesteuerung ausgelöst. Auch, wenn ihm Anteile zunächst nur zugeteilt wurden und unabhängig davon, dass er diese möglicherweise noch gar nicht verwerten konnte (lock-up period). Er hatte also noch keine liquiden Mittel für die Steuerzahlung erzielt, musste aber bereits eine Steuerzahlung leisten, als ob er den Verkaufserlös schon erhalten hätte. Seit 2021 kann diese Besteuerung für max. 12 Jahre aufgeschoben werden. Dies setzte allerdings voraus, dass der Mitarbeiter seine Beteiligung nicht vorher veräußerte oder aus dem Unternehmen ausschied. Beides nachvollziehbare gesetzgeberische Entscheidungen, wobei die zweite das Problem des dry-income wieder virulent werden ließ. Immerhin – so die gesetzliche Begründung – habe es der Mitarbeiter hier aber in der Hand gehabt, den Besteuerungszeitpunkt auszulösen. Richtig, aber das Argument gilt nur für Eigenkündigungen oder einvernehmliche Aufhebung, nicht im Fall der arbeitgeberseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Differenzierung nimmt das Gesetz jedoch nicht vor.

Weitere Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser steuerlichen Begünstigung waren an das Unternehmen des Arbeitgebers geknüpft und sollten den Anwendungsbereich möglichst auf Startups bzw. Expansion beschränken. Dazu bediente man sich zweier Schranken: Es musste sich um ein kleines oder lediglich mittelgroßes Unternehmen im Sinne der KMU-Definition handeln. Zudem durfte dessen Gründung nicht mehr als zwölf Jahre zurückliegen.

Die Neuregelung 2023

Den optimistischen Ankündigungen der Politik: „wichtiger Impuls für neues Wachstum – insbesondere für Startups“ oder „Beseitigung von Show-Stoppern bei Mitarbeiterbeteiligungen“ (jeweils BMF) zum Trotz ändert sich für echte Startups mit der neuen Gesetzesinitiative kaum etwas zum Besseren.

Neben einer Vielzahl von Neuregelungen im gesellschafts- und vertragsrechtlichen Bereich von Mitarbeiterbeteiligungen sind die Änderungen des ZuFinG im Bereich des Steuerrechtes jedenfalls für Beteiligungen an Unternehmen in deren Früh – oder Expansionsphase wohl praktisch wenig bedeutsam.

  • Die Ausweitung des jährlichen steuerlichen Freibetrages von EUR 1.440 auf EUR 5.000 dürfte für die eigentliche Zielgruppe von Mitarbeiterbeteiligungen („key persons“) und angesichts der regelmäßig erwarteten Unternehmenswertsteigerungen keine spürbare Erleichterung bringen. Zudem hat das Finanzministerium an dieser Stelle gleich wieder der Mut zur Steuererleichterung verlassen – die Sorge vor „unerwünschten Mitnahmen“ des Freibetrags. Daher muss der Vorteil zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Gehalt gewährt werden (keine Gehaltsumwandlung) – das dürfte praktisch ohnehin fast stets so sein. Zusätzlich wurde jedoch eine Mindesthaltefrist von drei Jahren eingefügt. Kommt es vorher zu einer Rückgabe oder Veräußerung der Beteiligung, entfällt der Freibetrag rückwirkend.
  • Spürbar ist die Ausweitung des Kreises von Unternehmen, die für die steuerliche Begünstigung qualifiziert sind. Statt zwölf dürfen nunmehr zwanzig Jahre seit der Gründung vergangen sein und die Schwellenwerte wurden deutlich angehoben (von höchstens 250 auf 1.000 Mitarbeiter, von höchstens EUR 50 Mio Bilanz-Summe auf EUR 86 Mio und von höchstens EUR 50 Mio. Jahresumsatz auf EUR 100 Mio). Ausreichend ist, dass die Werte in einem der letzten sechs Jahre nicht überschritten wurden (früher: zwei Jahre). Damit zielen die Begünstigungen weit über den Kreis von Startups hinaus in den etablierten Mittelstand hinein. Gleichwohl könnte auch für Startups diese Ausweitung interessant sein, wenn Mitarbeiterbeteiligungsprogramme langfristig gedacht werden. Will ein Unternehmen seinen Mitarbeitern kontinuierlich Beteiligungen im Jahres – oder z.B. Zweijahresrhythmus zusagen, ist der zeitlich auf 20 Jahre erweiterte Anwendungsbereich natürlich hilfreich. In der Praxis sollten die Gründer bei Auflage eines solchen Programms allerdings den starken Verwässerungseffekt bedenken, wenn jährlich/zweijährlich ihre
    persönlichen Beteiligungsquoten abschmelzen. Über ein länger laufendes Beteiligungsprogramm addieren sich dann die abgegebenen Beteiligungswerte nämlich zu schmerzhaften Größen.
  • Spürbarer mag der positive Effekt aus der Verlängerung der erzwungenen Besteuerung auf 20 Jahre sein. Wohlgemerkt: Auch ohne Ausscheiden aus dem Unternehmen oder tatsächlicher Veräußerung der Beteiligung – wozu auch die Rückgabe an das Unternehmen oder eine Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft gehört – erfolgt bislang zwingend nach zwölf Jahren die Besteuerung. Der Gedanke war, dass der Mitarbeiter bis dahin ausreichend Vorkehrungen hat treffen können, um die Steuerlast bezahlen zu können. An dieser Stelle holt die dry-income-Problematik die Mitarbeiter also doch wieder ein. Diese Frist ist nun ebenfalls auf zwanzig Jahre verlängert worden.
  • Neu geschaffen wurde die Möglichkeit, die Besteuerung bei Ausscheiden aus dem Unternehmen zu vermeiden. Ob diese Optionen große praktische Relevanz erlangt, muss allerdings bezweifelt werden. Denn die marktgängigen Regelungen in Beteiligungsprogrammen sehen ohnehin vor, dass Mitarbeiter beim Ausscheiden verpflichtet sind, die Anteile zurückzugeben. Je nach Ausgestaltung wird dann zwischen Bad-Leaver/Good-Leaver unterschieden. Dies wirkt sich aber lediglich auf die Höhe des Rücknahmepreises aus, nicht auf das Recht, die vergünstigt erhaltene Mitarbeiterbeteiligung über den Ausscheidenszeitpunkt behalten zu dürfen. Gleichwohl hat der Gesetzgeber hier die Möglichkeit vorgesehen, den Besteuerungszeitpunkt aufzuschieben.

Allerdings ist diese Option für den Arbeitgeber teuer erkauft. Denn sie steht unter der Voraussetzung einer uneingeschränkten Übernahme der Steuerhaftung für den – dann ausgeschiedenen (!) – Mitarbeiter.

Was ist damit gemeint? Bekanntlich ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, auf das Gehalt Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Andernfalls erhält der Mitarbeiter über diesen Betrag einen Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes. Nur wenn dies nicht erfolgt (z. B., weil eine Steuerveranlagung nicht beantragt wurde) oder ist die Beitreibung für das Finanzamt schwierig (z. B. durch Wegzug des Mitarbeiters ins Ausland) haftet der Arbeitgeber gegenüber dem Finanzamt unmittelbar für diesen Betrag. Mit anderen Worten erhält dann der Arbeitgeber einen Lohnsteuerhaftungsbescheid und muss die Einkommensteuer anstelle des Arbeitnehmers bezahlen. Zwar hat er dann einen Erstattungsanspruch gegenüber seinem (früheren) Mitarbeiter. Mit dessen Durchsetzung lässt das Finanzamt aber den Arbeitgeber alleine. Dies sind die allgemeinen Prinzipien der Lohnsteuerhaftung, die zunächst einmal auch für die Besteuerung der Mitarbeiterbeteiligung gelten.

Diese subsidiäre Inanspruchnahme (zuerst: Mitarbeiter, erst bei Schwierigkeiten: Arbeitgeber) wird nun durchbrochen. Der Arbeitgeber muss gegenüber dem Finanzamt unwiderruflich erklären, dass er auf erstes Anfordern die Lohnsteuer statt des Mitarbeiters entrichten wird. Überflüssig zu erwähnen, dass damit erhebliche wirtschaftliche Risiken übernommen werden. Und jedes Unternehmen muss sich fragen, welches Interesse es daran haben sollte, für einen Mitarbeiter – insbesondere sollte er schon ausgeschieden sein – noch diese steuerlichen Risiken zu übernehmen(?).

  • Es gibt aber auch uneingeschränkt Positives zu vermelden. Das Gesetz sieht nämlich eine Verbesserung in den Leaver – Fällen – vor. Hier wird der Besteuerung nämlich nicht länger der objektive Marktwert der Beteiligung zugrunde gelegt, sondern der Betrag, den der Mitarbeiter beim Ausscheiden durch den Rückkauf an den Arbeitgeber (oder die Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft) tatsächlich erhält. Dies dürfte insbesondere in Bad-Leaver-Fällen, die typischer Weise einen Bewertungsabschlag vorsehen, zu mehr Steuergerechtigkeit führen. Vormals wurden hier nämlich insoweit fiktive Veräußerungsgewinne der Besteuerung unterworfen, wie diese Bewertungsabschläge reichten.

Das Zwischenergebnis

Aus Sicht der Startups schreibt die Neuregelung die bereits bestehenden steurrechtlichen Begünstigungen im wesentlichen nur fort. Gravierende Verbesserungen dürften sich in der Praxis nicht ergeben, allenfalls aus der Verlängerung der Begünstigungsphase von 12 auf 20 Jahre. Die Ausweitung der Größenklassen wird für viele echte Startups kaum eine Rolle spielen. Die Aufstockung des jährlichen Freibetrags ist sehr gering ausgefallen und zudem an eine neu eingeführte Mindesthaltedauer gekoppelt worden. Ob und inwieweit insbesondere die in der Praxis als Alternative zu klassischen Mitarbeiterbeteiligungen entwickelten virtuellen Beteiligungsmodelle (VSOP) durch die Neuregelungen des ZuFinG – auch im Hinblick auf die gesellschaftsrechtlichen Neuregelungen – ihre Relevanz behalten und welche Gestaltungsmöglichkeiten sich nunmehr ergeben, betrachten wir in Teil II. (folgt)

Über den Autor

Matthias Krämer, PARTNER, LPA-GGV (Frankfurt)

Matthias ist Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht und Fachanwalt für Steuerrecht. Er berät deutsche und internationale Unternehmen zu komplexen Fragestellungen des nationalen und internationalen Steuerrechts.

Matthias ist Co-Autor des Praktiker-Handbuchs „Unternehmenskauf in der Steuerpraxis“ (Springer-Verlag) und ad-hoc Kolumnist für die Wirtschaftswoche. Zuvor hatte er eine eigene Steuer-Kolumne in „Der Mittelstand“. Er ist Mitglied im Zulassungsauschuss der Fachanwälte für Steuerrecht.

Matthias war zu Beginn seiner Laufbahn Rechtsanwalt und Steuerberater bei PwC (damals: Coopers & Lybrand).

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge dieser Serie sind Gastbeiträge von Dr. Leif Gösta Gerling LL.M. (USA), Rechtsanwalt im Bereich M&A und Corporate Finance und Partner in der Wirtschaftskanzlei LPA-GGV: Mitarbeiter-Incentivierung mit Augenmaß! und “Dead Equity kann pures Gift sein”.

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