„Wir werden nicht umhinkommen, die Menschen entscheiden zu lassen, wann und wo sie arbeiten“ – SleevesUp! Gründer im Interview
Sebastian Schmidt, Gründer & Geschäftsführer von SleevesUp!

Home Office hat durch Corona einen Boom erlebt, und mit ihm auch der Begriff New Work. Sein Versprechen: Arbeiten, wann und wo man möchte, die maximale Autonomie. Und der Erfolg scheint ihm Recht zu geben: Eine Studie von PwC rechnet mit 65% mehr Home Office-Tagen im Vergleich zu vor der Krise. Dass die Menschen am provisorischen Schreibtisch im Schlafzimmer oder in der Küche arbeiten, ist auf Dauer auch ausgeschlossen. Sebastian Schmidt bietet mit SleevesUp! Coworking-Spaces ganz im Sinne der New Work an. Der Gründer sieht einen stark wachsenden Bedarf für Arbeitsplätze, die nicht in der eigenen Firma sind, vor allem in ländlichen Regionen. Ein Gespräch über die Zukunft des Büros.

Vor anderthalb Jahren haben wir schon einmal mit euch gesprochen. Damals war die Ansage: 15 SleevesUp! Coworking-Spaces bis Ende 2021. Heute habt ihr genau 13, haben sich eure Ziele durch Corona geändert?

Corona ist auf jeden Fall noch nicht ganz verdaut, das war schon ein ziemlicher Dämpfer. Gleichzeitig war die Pandemie auch ein Katalysator für das Thema New Work, denn viel mehr Leute sind jetzt im Home Office, und denen fällt die Decke auf den Kopf. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten Monaten weitere Spaces öffnen werden, auch wenn die eventuell etwas anders aussehen werden.

Inwiefern?

New Work bedeutet, unabhängig vom Ort arbeiten zu können. Und wir wollen mit SleevesUp! noch stärker eine dezentrale Office-Infrastruktur schaffen. Das heißt wirklich in die Regionen reingehen, um den Menschen, die dem Home Office entfliehen wollen, eine Alternative zu bieten.

Wer nimmt so ein Angebot in Anspruch?

Das sind häufig Menschen aus dem Einzugsbereich großer Städte, die nicht jeden Tag ins Office pendeln wollen. Wir bekommen mit, dass viele Firmen ihre Büroflächen reduzieren, weil sie gemerkt haben, dass das Home Office funktioniert. Nur: Nicht jeder möchte immer am Küchentisch arbeiten. Mit unseren Spaces können Arbeitnehmer:innen New Work für sich nutzen, und das in der Nähe ihres Zuhauses.

Bei SleevesUp! geht es immer wieder um New Work. Was bedeutet dieser Begriff für euch?

Bei New Work geht es um das freie und selbstbestimmte Arbeiten der Menschen. Durch gesteigerte Wahlmöglichkeiten sollen sie zum Beispiel aussuchen können, wann und wo sie arbeiten. Die Corona-Pandemie hat dem Thema einen riesigen Schub gegeben. Zeitlich wurden Strukturen aufgebrochen, auf einmal haben wir zuhause gearbeitet. Wenn man New Work zu Ende denkt, dann muss jeder Mensch aber auch in der Lage sein, zu entscheiden, wo er arbeiten will. Und dafür braucht es eine Infrastruktur von „third places“ wie unseren Coworking-Spaces, zu denen die Menschen kommen können, die nicht pendeln, aber auch nicht zuhause arbeiten wollen. Das ist unsere Mission.

Gerade Corporates waren bisher selten bereit, ihre Mitarbeiter:innen ohne Zwang ins Home Office zu schicken.

Durch Corona haben Corporates gesehen, dass die Umstellung funktioniert. Und die sehen natürlich auch die Kostenreduzierung. Wir kennen viele große Unternehmen, die ihre Flächen auf zwei Drittel reduzieren. Wir gehen daher davon aus, dass jede:r Mitarbeiter:in in Zukunft ein bis drei Tage Home Office machen wird.

Das wird nicht leicht, gerade im ländlichen Raum mangelt es oft an Alternativen.

Die Branche ist relativ jung. Die Anbieter:innen gehen da erst einmal in die großen Städte, wo das Konzept so auch schon bekannt war. Im ländlichen Raum kennen das viele Menschen gar nicht, finden es aber toll, wenn wir ihnen davon erzählen. Ein weiteres Problem: Es gibt keinen Standard für das Produkt. Lokal gibt es zwar einige Lösungen, sozusagen „Dorf-Coworking-Spaces“, die sind jedoch nicht vereinheitlicht. Große Firmen brauchen aber genau das. Einen Standard, der in allen Spaces geboten wird – und den können wir bei SleevesUp! versichern.

Welche anderen Vorteile an der Arbeit im Home Office gibt es?

Corporates sparen Geld, weil sie weniger Fläche anmieten und bewirtschaften müssen. Mitarbeiter:innen sparen Zeit, weil sie weniger pendeln müssen. Dadurch wird außerdem weniger CO2 für die Fahrten mit dem PKW verbraucht. Und die Menschen bereichern ihre lokale Wirtschaft: Sie essen zu Mittag, sie kaufen ein, machen ihre Erledigungen vor Ort.

Ändert sich auch etwas im Arbeitsschutz, wenn wir nicht mehr so regelmäßig ins Firmenbüro kommen?

Als Arbeitgeber:in hast du eine Verantwortung für deine Angestellten, auch im Home Office. Während der Krise hat man gesagt, das geht gerade nicht anders, und das war auch okay. Aber in dem Moment, in dem das Home Office zur Regel wird, dann gilt zum Beispiel auch der Arbeitsplatzschutz. Die Firma muss dann sicherstellen, dass professionelles Arbeitsmaterial da ist: Stuhl, Schreibtisch, ruhige Computer, jährliche Überprüfung der technischen Geräte auf ihre Sicherheit, und so weiter. Das ist für viele ein immenser Aufwand, mit unseren Coworking-Spaces bei SleevesUp! nehmen wir Arbeitgber:innen diese Last ab.

New Work bedeutet auch flexible Arbeitszeiten, flache Hierarchien und Diversität – machen Startups da nicht schon alles richtig?

Sie machen auf jeden Fall vieles richtig. Wir merken es ja selbst: In Bewerbungsgesprächen kommt immer die Frage: Wieviel Home Office kann ich machen? Für manche ist es sogar denkbar, gar nicht in ein bestimmtes Büro zu kommen. Durch diese attraktiven Arbeitsbedingungen ziehen Startups Talente an, auch wenn sie kein großer Name mit Strahlkraft sind. Da können Corporates viel von lernen.

Startups bieten vor allem jungen Menschen also viel Flexibilität in der Art und Weise, wie sie arbeiten wollen. Gibt es Fehler, die Startups vermeiden sollten?

Die größte Herausforderung bei diesen neuen Formen der Arbeit ist es, niemanden zurückzulassen. Auch als junges, agiles Unternehmen brauchst du immer eine Basis, wo du dich zuhause fühlst und zusammenkommen kannst. Das ist wichtig für den Teamspirit. Aber wenn du einen Teil hast, der ins Büro kommt, und einen anderen, der nie da ist, dann besteht die Gefahr, dass du Mitarbeiter:innen verlierst. Das gilt übrigens auch für große Unternehmen.

Sind Startups mit ihren Arbeitsmodellen besser durch die Krise gekommen?

Sie hatten auf jeden Fall bessere Grundvoraussetzungen. Ihre deutlich flexibleren Modelle und agileren Strukturen machen Startups unabhängiger. Generell kann man sagen: Firmen, die ihre Belegschaft schnell remote geführt haben und gleichzeitig ein Zusammengehörigkeitsgefühl aufrechterhalten konnten, haben die Corona-Zeit besser überstanden.

Mit diesen Aussichten – wie wichtig wird das klassische Büro in Zukunft noch sein?

Das klassische Corporate Office wird nicht an Bedeutung verlieren, aber seine Rolle wird sich ändern. Es wird immer das Aushängeschild des Unternehmens bleiben. Der Ort, an dem die Leute zusammenkommen. Ich glaube, es wird den Charakter einer Kollaborationsfläche annehmen.  Konferenzen, Events, Community Bereiche, ein Anteil an normalen Arbeitsplätzen. Es wird auch immer die geben, die trotzdem lieber ins Büro als ins Home Office oder den Coworking Space gehen. Wenn wir New Work aber zu Ende denken, dann werden wir nicht umhinkommen, die Menschen selbst entscheiden zu lassen, wann und wo sie arbeiten. Und damit sie diese Freiheit nutzen können, muss man ihnen eine Alternative zu ihren eigenen vier Wänden und dem Büro der Firma bieten.

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