Wir haben mit Martin Lacroix zu Holistic Listening gesprochen. Als Berater für Change-Management und über 20 Jahren Erfahrung, liegt sein aktueller Schwerpunkt auf ganzheitlichem Zuhören („Holistic Listening“), das er als Schlüssel für erfolgreiche Führung und nachhaltigen Wandel sieht. Auch Startups sollten sich schon frühzeitig mit dem Thema Führung und Führungskultur beschäftigen. Gemeinsam mit dem Experten Professor Avi Kluger arbeitet er daran mit der Initiative “Global Listening Movement”, Listening in die Welt zu tragen. Ihr nächster Workshop findet vom 22.-25. Januar 2025 in Wiesbaden statt.
STATION: Martin, schön, dass du dir heute Zeit für uns genommen hast. Zuhören scheint ein großes Thema zu sein. Warum glaubst Du, dass es so wichtig ist?
Martin Lacroix: Danke, dass ich hier zu Wort kommen darf. Zuhören ist wirklich eine Grundlage für so vieles – Beziehungen, Vertrauen und Zusammenarbeit. Gerade im Arbeitskontext macht gutes Zuhören einen großen Unterschied. Es sorgt dafür, dass Menschen sich gesehen und gehört fühlen. Nehmen wir zum Beispiel einen Mitarbeiter, der mit einer Idee oder einem Problem zu seinem Vorgesetzten kommt. Wenn dieser ihm aufmerksam zuhört, zeigt das: “Deine Meinung ist mir wichtig.” Das steigert nicht nur die Motivation, sondern führt oft auch zu besseren Lösungen, weil man gemeinsam daran arbeiten kann. Studien zeigen, dass solches Zuhören psychologische Sicherheit schafft – laut Google der wichtigste Faktor für die Performance von Teams, aber auch die Lufthansa setzt inzwischen auf das Thema Zuhören, um den kulturellen Wandel voranzutreiben.
STATION: Warum fällt es Führungskräften oftmals schwer, zuzuhören?
Martin Lacroix: Das ist eine gute Frage. Ich denke, es liegt oft daran, dass Führungskräfte mit einer Vielzahl von Aufgaben und Entscheidungen konfrontiert sind. Der Druck, schnell Ergebnisse zu liefern, lässt wenig Raum für ausführliches, empathisches Zuhören. Manche Führungskräfte glauben, dass sie immer die Antworten parat haben müssen, um ihren Status nicht zu verlieren. Hinzu kommt der Mythos, dass die Autorität darunter leiden könnte. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Eine Führungskraft, die zuhört, wird als kompetenter wahrgenommen. Ein Beispiel: Eine Führungskraft der mittleren Ebene, die ich trainiert habe, seinen Habitus zu verändern und Gespräche zu führen, bei denen er vor allem zugehört hat. Das Ergebnis war mehr als erstaunlich: Ein in Teilen feindseliges und kontraproduktives Arbeitsklima verkehrte sich in sein Gegenteil. Aus Teammitgliedern, die eigentlich innerlich gekündigt hatten, wurden wieder engagierte Mitarbeiter, die sich eingebracht haben.
STATION: Warum sollten sich Startups schon frühzeitig mit dem Thema Führung und Führungskultur beschäftigen?
Martin Lacroix: Gerade für Startups, die oft in einem dynamischen und schnelllebigen Umfeld agieren, ist es entscheidend, von Anfang an eine klare Führungskultur zu etablieren. Ohne eine stabile Grundlage können schnell Missverständnisse, ein Mangel an Vertrauen oder sogar Konflikte entstehen, die das Wachstum des Unternehmens behindern. Ein Beispiel dafür ist Wix, ein Unternehmen, das trotz schnellen Wachstums stark in die Entwicklung von Führungskultur investiert hat. Sie haben erkannt, dass psychologische Sicherheit in Teams – gefördert durch Zuhören und transparente Kommunikation – ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist. Studien belegen, dass Teams mit hoher psychologischer Sicherheit kreativer und produktiver sind. Startups sollten sich also frühzeitig mit diesen Themen befassen, um eine Kultur zu schaffen, die Vertrauen und Zusammenarbeit stärkt und so langfristigen Erfolg ermöglicht.
STATION: Was könnten Führungskräfte Deiner Meinung nach besser machen?
Martin Lacroix: Ich denke, Führungskräfte könnten sich bewusster Zeit für echtes Zuhören nehmen. Dabei geht es nicht nur um die Techniken wie sie oft in Trainings vermittelt werden – wie Nicken oder das Wiederholen des Gesagten – sondern um eine tiefere Verbindung. Avi Kluger hat das sehr treffend mit dem Konzept des „holistischen Zuhörens“ beschrieben. Es bedeutet, offen für verschiedene Perspektiven zu sein, auch wenn diese nicht der eigenen Meinung entsprechen. Eine andere Meinung anzuerkennen, ohne sich diese zu eigen machen zu müssen, ist sehr schwierig. Instinktiv wollen wir in diesen Situationen die eigene Sicht verteidigen, wir wollen Recht behalten und die eigene Meinung durchsetzen. Da geht es mir nicht anders. Aber ich habe gelernt, mit diesem emotionalen Aspekt besser umzugehen, um bessere, tatsächlich reifere Entscheidungen zu treffen. Nehmen wir an, ein Mitarbeiter kritisiert eine Entscheidung. Statt sofort zu erklären, warum man eine bestimmte Entscheidung getroffen hat, könnte man fragen: “Wie würdest du die Situation lösen?” Solche Gespräche können nicht nur Vertrauen stärken, sondern am Ende auch bessere Entscheidungen hervorbringen.
STATION: Viele von uns denken wahrscheinlich, dass sie schon gute Zuhörer sind. Was macht holistisches Zuhören so besonders und wie unterscheidet es sich vom aktiven Zuhören, das einige sicherlich schon kennen?
Martin Lacroix: Das denken viele, das sehe ich auch so. Zählt man aber, wie oft man bei einem Gespräch unterbrochen wird, wird schnell klar, das es nicht so ist. Aber zu den Unterschieden: Das holistische Zuhören ist deutlich umfangreicher als das aktive Zuhören und schließt insbesondere die emotionale Komponente ein. Es geht also nicht nur um das Verstehen, sondern auch um das Hören der aktuellen Gefühlslage oder der atmosphärischen Stimmung. Häufig wird aktives Zuhören mit Techniken wie Augenkontakt oder das Wiederholen von Aussagen gleichgesetzt. Das wirkt dann mechanisch und wenig authentisch. Holistisches Zuhören hingegen fordert, wirklich präsent zu sein – mental, emotional und mit voller Aufmerksamkeit. Es bedeutet, nicht nur zuzuhören, sondern den anderen wirklich zu verstehen. Eine Haltung zu entwickeln, die wirklich das Interesse am Gegenüber verkörpert.
STATION: Das zeigt in der Tat, wie wichtig Zuhören ist. Kann man es erlernen und wenn ja, wie?
Martin Lacroix: Absolut! Zuhören ist eine Fähigkeit, die man trainieren kann. Allerdings braucht es Zeit und Übung. Programme wie das „Holistic Listening Training“ bieten strukturierte Möglichkeiten, diese Kompetenz zu entwickeln. Ein einfacher Tipp: Nehmen Sie sich bewusst Zeit für Gespräche und schalten Sie alle Ablenkungen aus – keine E-Mails, kein Handy. Man sollte lernen, offene Fragen zu stellen, die zum Nachdenken anregen. Dabei kommt es auch nicht darauf an sofort eine Antwort zu finden. Oftmals geschieht dies viel später und eine gute Beziehung ermöglicht es dann, auf das Thema zurückzukommen. Wichtig ist es auch, eine authentische Haltung zu entwickeln, die zeigt, dass man dem Gegenüber zugewandt ist. Oft geht das mit dem Eingeständnis einher, dass man lange – eigentlich zu lange – ein schlechter Zuhörer und von sich selbst sehr eingenommen war. Avi Kluger sagte mir einmal: “Verstehen reicht nicht. Du musst es fühlen.” Das konnte ich tatsächlich erst in einem seiner Workshops erfahren. Manchmal wundert es mich selbst, aber die Methoden funktionieren. Das sehe ich in den Workshops, die ich gebe. Um es mal sehr salopp zu formulieren: Mit Avis Ansatz knackt man die härtesten Typen, die dann sehr schnell bereit sind, ihren Panzer abzulegen und andere Perspektiven zuzulassen. Wenn das gelingt, ist es ein großer Schritt nach vorne und genau das schaffen wir mit unseren Trainings.
STATION: Lieber Martin, vielen Dank für das Gespräch und die interessanten Einblicke, die Du uns gegeben hast.
Info: Avi Kluger und Martin Lacroix bieten einen “Train-the-Trainer Workshop” an. Dieser findet vom 22. bis 24. Januar 2025, in Wiesbaden statt. Der Workshop richtet sich an Agile-Coaches, Trainer, HR-Professionals, Manager und Führungskräfte, die ihre Fähigkeiten im ganzheitlichen Zuhören vertiefen möchten. Die Teilnehmerzahl ist auf 12 Personen begrenzt, um eine intensive und praxisnahe Schulung zu gewährleisten. Weitere Informationen findet Ihr hier: listening-leadership.com.
Über Martin Lacroix
Martin Lacroix ist Berater für Change-Management und Führung aus Gießen und ein Impulsgeber für die Entwicklung einer modernen Führungskultur, bei der er die Bedeutung des Zuhörens ins Zentrum stellt. Dieses Verständnis prägt auch seine Arbeit in der Förderung von Startups und der Transformation von Organisationen. Als Gründer und Initiator von Formaten wie dem „Startup Weekend Mittelhessen“, der „Founder School“ und dem „Leadership Lab“, die im Lokschuppen Marburg stattfanden, hat er die Themen Führung, Innovation und Unternehmertum in der Region nachhaltig vorangebracht.
Sein aktueller Schwerpunkt liegt auf ganzheitlichem Zuhören („Holistic Listening“), das er als Schlüssel für erfolgreiche Führung und nachhaltigen Wandel sieht. Für Lacroix bedeutet Zuhören mehr als Worte zu verstehen – es schafft Vertrauen, stärkt die Zusammenarbeit und ermöglicht emotionale Verbindungen. „Zuhören fördert die psychologische Sicherheit im Team und ohne diese Sicherheit wird man das volle Potential eines Teams nie abrufen können.“, erklärt er. Weitere Informationen bietet die Listening Leadership Collective.
Mit über 20 Jahren Erfahrung weiß Lacroix, dass Transformation nur gelingt, wenn das richtige Mindset und eine positive Veränderungskultur verankert sind. Gemeinsam mit Avi Kluger führt er Workshops durch, um Führungskräften und Trainern holistisches Zuhören nahezubringen. Ein Highlight ist der „Train-the-Trainer Workshop“ im Januar 2025 in Wiesbaden, der praxisnahe Schulung für agile Coaches und Führungskräfte bietet.
Weitere Beiträge
Hier gibt es weitere Expertenbeiträge zu verschiedenen Themen, u.a. ein anders Interview mit Martin Lacroix und dem Regionalmanagement Mittelhessen.