Mitarbeiterbeteiligungen aus steuerlicher Sicht
Gastautor und Partner der LPA-GGV Matthias Krämer.

Im ersten Teil „Werden ESOP steuerlich attraktiver“ befassten wir uns mit den Neuregelungen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes im Hinblick auf die steuerliche Behandlung von Mitarbeiterbeteiligungen. Im zweiten Teil soll es um konkrete Handlungsempfehlungen bei der Implementierung eines Programms zu Incentivierung von Mitarbeitern gehen.

In unserer Serie schreibt Gastautor Matthias Krämer, Rechtsanwalt und Steuerberater im Bereich International Taxation / M&A und Partner der internationalen Wirtschaftskanzlei LPA-GGV in Frankfurt über steuerrechtlichen Themen, die die Gründer- und Investorenszene beschäftigen. Im heutigen Teil geht es um Mitarbeiterbeteiligungsmodelle aus steuerlicher Sicht.

Die zentrale Frage ist dabei stets, welche Art von Incentivierungsmodell gewählt werden soll. Ein jedes hat seine Vor- und Nachteile. Eine sinnvolle Entscheidung ist also nur möglich, wenn man diese kennt.

Handlungsalternativen

Die Premium-Lösung ist die Einräumung einer vollwertigen gesellschaftsrechtlichen (Mit)Inhaberstellung am Unternehmen („ESOP“), d.h. die Gewährung von Geschäftsanteilen (GmbH) oder Aktien (AG). Beide Beteiligungen werden steuerlich gleich behandelt, weswegen hier nicht zwischen ihnen unterschieden werden muss. Vereinfachend wird im Folgenden daher nur von „Aktien“ gesprochen.

Anderes gilt für Personenhandelsgesellschaften (oHG, Kommanditgesellschaft, GmbH & Co KG). Hier ist, sowohl aus gesellschafts- wie aus steuerlicher Sicht ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm weniger empfehlenswert und daher in der Praxis auch sehr selten. Diese Spielart soll daher auch hier nicht weiter verfolgt werden. 

Neben der sofortigen Übertragung der Geschäftsanteile kann eine Phase vorgeschaltet werden, in der der Mitarbeiter sich die Anteile „verdienen“ muss. Ihm wird also im Wege einer Option zunächst der Erwerb der Aktie zugesagt. Dabei sind Zeitpunkt und Erwerbspreis bereits im Vorhinein festgelegt. Dies sind sog. Stock Option- Modelle.

Schließlich kann man auf jede Form der Einräumung gesellschaftsrechtlicher Beteiligung verzichten. Es werden nur virtuelle Anteile ausgegeben, gleichgültig ob sog. Stock Appreciation Rights oder Phantom Stock Awards („VSOP“).  Der Mitarbeiter wird hier lediglich finanziell so gestellt, als wäre er Gesellschafter, hat aber keinerlei Stimm-, Mitwirkungs- oder Informationsrechte. Oder genauer gesagt: anders als dem wirklichen Gesellschafter stehen Sie ihm nicht im gesetzlichen Umfang zu. Vielmehr wird ihr Umfang ausschließlich über die Bedingungen des Beteiligungsmodells definiert. Zumeist werden nur in einem reduzierten Umfang bestimmte Informationsrechte zugestanden. Die Erfolgsbeteiligung wird in der Grundidee direkt an die der Gesellschafter angeknüpft, d.h. der Mitarbeiter erhält wie jener Dividendenzahlungen oder im Fall des Exits einen Veräußerungsgewinn. Im Einzelnen ist alles frei gestaltbar, deswegen können auch nur Teile davon Inhalt des Modells sein (z. B. nur dividendengleiche Zahlungen, aber keine Exit-Erlöse – oder umgekehrt).

Eine besondere Ausprägung ist die Zwischenschaltung einer Mitarbeiter-Beteiligungsgesellschaft. Sinnvoll ist sie jedoch lediglich in Ergänzung zur erstgenannten Modellvariante. Die Mitarbeiter erhalten also nicht unmittelbar Aktien an der operativen Gesellschaft. An ihr ist vielmehr ist die Mitarbeitergesellschaft beteiligt und an dieser erhalten die Mitarbeiter Aktien. Dadurch werden die Mitarbeiterbelange als Mitgesellschafter gebündelt; d.h. die Gründer haben nicht alle Mitarbeiter mit Stimmrecht am Tisch der Gesellschafterversammlung, sondern lediglich einen Vertreter. In den ersten Phasen der Unternehmensentwicklung ist dies kein bedeutender Aspekt. Wenn das Beteiligungsprogramm sich jedoch über eine größere Anzahl Köpfe verteilt, können Gesellschafterversammlungen schnell unhandlich werden. Halten zwei Gründer und zwei Investoren insgesamt 75,1%% der Gesellschaft, sind aber 15 Mitarbeiter mit insgesamt weiteren 24,9% beteiligt – also ohne wirklichen Einfluss, aber jeder mit vollem Rede- und Informationsrecht – werden Gesellschafterversammlungen schnell ineffiziente Veranstaltungen. Eine Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft schafft da Abhilfe.

Was heißt das steuerlich?     

So unterschiedlich die rechtlichen Ausgestaltungen sind, so verschieden sind auch die steuerlichen Folgen für die Beteiligten.        

Die Beteiligung in Aktien ist für den Mitarbeiter steuerlich die interessanteste Variante, jedenfalls, wenn er mehr als 1% am gezeichneten Kapital (Grundkapital, Stammkapital) hält. Dann werden die Erträge aus Dividendenzahlungen oder Gewinnen aus Aktienverkäufen nur mit 60% des Betrages der Besteuerung unterworfen.  Allerdings muss er die Aktien beim Erwerb aus bereits versteuertem Einkommen entweder bezahlen. Oder – was steuerlich auf das gleiche herausläuft – das Unternehmen überlässt sie ihm unentgeltlich. Dann unterliegt dieser Teil der Lohnsteuer. Bei einer verbilligten Überlassung gilt dies entsprechend in Höhe des Preisnachlasses.

Die dabei entstehende „dry income-Problematik“ (Lohnbesteuerung ohne Zufluss von frei verfügbaren Finanzmitteln) hat das Zukunftsfinanzierungsgesetz – unter bestimmten Voraussetzungen wie geschildert (s. Teil I) – zwar entschärft. Aber die hohe steuerliche Belastung auf den Einstandspreis ist damit nur aufgeschoben, jedoch nicht beseitigt. Von dem o.g. Bewertungsabschlag profitiert der Mitarbeiter aber umso mehr, je steiler die Wertentwicklung des Unternehmens nach seinem Aktienerwerb verläuft.

Für die Gesellschaft ist die Ausgabe an die Mitarbeiter kein steuerlich abzugsfähiger Betrag (anders als beim VSOP, s. unten). 

Erfolgt die Incentivierung über Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaften gelten exakt die selben steuerlichen Regelungen.  Hier geben also alleine außersteuerliche Überlegungen den Ausschlag (s. oben)

Die geschilderten steuerlichen Grundsätze finden weitgehend auch für Stock Option Programme Anwendung. Anderes gilt im Fall einer sog. „Exercise-and-Sell Variante“. Hier erfolgt kein Umtausch mehr der Option in die Aktien, d.h. der Mitarbeiter erlangt keine gesellschaftsrechtliche Position; vielmehr erfolgt der Verkauf der Aktie sofort mit Optionsausübung. Für die vergünstige Besteuerung (60% des Veräußerungsgewinns) ist jedoch die Inhaberschaft an den Aktien Voraussetzung. In Fällen des „Exercise and Sell“ wird dies von den Finanzbehörden nicht anerkannt.

Steuerlich unpraktisch sind Stock Option Programme vor allem, wenn grenzüberschreitende Konstellationen auftreten, z. B. wenn der Mitarbeiter im Ausland ansässig ist, wenn die Option zugeteilt („grant“) oder ausgeübt wird. Die Rechtsauffassungen der einzelnen Staaten sind nämlich nicht harmonisiert, weshalb auch die Doppelbesteuerungsabkommen hier keine Abhilfe schaffen. Daher werden, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden, je nach konkreter Konstellation sog. Verständigungsverfahren zwischen den Finanzbehörden notwendig. Diese sind nicht nur langwierig – der Betroffene muss also stets mehrere Jahre warten, bis die Doppelbesteuerung aufgelöst und er eine Rückerstattung erhält. Das Verfahren ist zudem kostenaufwändig, weil der Mitarbeiter es kaum ohne spezialisierten Steuerrechtsrat wird betreiben können. Arbeitsrechtliche Diskussionen darüber, inwieweit der Arbeitgeber aus seiner Fürsorgepflicht bei einem von ihm aufgelegten Stock Option-Programm für solche Fälle Vorsorge treffen muss, sind ein weiterer Aspekt – jedenfalls fördert ein solches Vorkommnis nicht den eigentlichen Zweck des Programms, nämlich die Steigerung der Motivation.

Bei VSOP ist die steuerliche Interessenlage quasi umgekehrt zu den ESOPs. Sämtliche Zuflüsse werden bei dem Mitarbeiter im Zeitpunkt, in dem er sie erhält, ungeschmälert steuerpflichtig. Sie werden aber nicht nur steuerlich, sondern auch sozialversicherungsrechtlich als Arbeitslohn behandelt und unterliegen daher der Sozialversicherungspflicht. Nur, wenn der Mitarbeiter ohnehin mit seinen anderen Einkünften im Zuflussjahr bereits oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen liegen sollte, wäre dies kein zusätzlicher Nachteil. Für 2024 betragen diese in der Rentenversicherung – WEST – EUR 90.600, für -OST- liegt diese bei EUR 89.400 p.a., und in der Kranken-/Pflegeversicherung bei EUR 62.100 p.a. Für das Unternehmen ist die VSOP-Zahlung in jeder Hinsicht Personalaufwand und damit voll abzugsfähige Betriebsausgabe.

Entscheidungsfindung

Will man ein Incentivierungsprogramm auflegen, sollte alleine ausschlaggebend sein, was für das Unternehmen – das meint in diesem Fall auch die Gründer und strategischen Investoren – das mit dem Programm verfolgte Ziel ist.  Die zentralen Fragen, die dabei zu klären sind, lauten: Wen will ich binden? Wie lange wollen / brauchen wir die designierten Begünstigten wirklich? Geht es lediglich um Inventivierung (= Geld), oder will ich wirklich einen Mitgesellschafter „am Tisch“ haben? Soll die Beteiligung in weiteren Runden aufgestockt werden? Wie groß kann / soll der Kreis der Berechtigten werden?

Die Antworten weisen angesichts der Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle die Richtung.  So ist z. B. ein ESOP (nur) sinnvoll, wenn Mitarbeiter langfristig (d.h. > 5 Jahre) nach Übertragung der Anteile gebunden werden sollen. Ein zahlenmäßig größerer Kreis von Mitarbeitern kann dafür nicht in Betracht kommen. Es müssen – jenseits von Motivation und Engagement für das Unternehmen – Mitarbeiter sein, die sich auch hinsichtlich der unternehmerischen Verantwortung und Risiken als Inhaber verstehen, nicht als bloße Leistungsträger.

Das Stock Option Programm in seiner klassischen Variante (also kein Exercise and Sell), zielt letztlich auf eine volle Gesellschafterstellung ab, gibt aber eine gewisse Probezeit – es gibt den Gründern gleichwohl wenig Möglichkeit, bei ökonomischer Zielerreichung das gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaftsrecht einseitig aus anderen Gründen („man passt nicht zueinander“) wieder zu entziehen. Für Unternehmen mit einem großen Aktionärskreis spielt dies eine geringe Rolle. Aber solange man sich in der Phase zwischen start up und Series C befindet, sollte man diesem Aspekt seine Bedeutung geben.

VSOP bieten die größtmögliche Flexibilität, das Incentive-Modell auf die Antworten zu den oben genannten Überlegungen konkret zuzuschneiden – um den Preis, dass es von dem steuerlich orientierten Mitarbeiter möglicherweise am wenigsten bevorzugt wird.

Ein Exercise and Sell-Programm entspricht mit seinen steuerlichen Konsequenzen dem VSOP. Da auch hier nie eine wirkliche Gesellschafterstellung erreicht wird, sind auch gesellschaftsrechtlichen die Erwägungen zum ESOP nicht einschlägig. Auch hier besteht also beim Exercise and Sell die praktisch größtmögliche Nähe zum VSOP. Die Entscheidung zwischen beiden Modellen ist daher eher eine der besseren Vermittelbarkeit bei den Mitarbeitern (z. B., weil Stock Option-Modelle eine größere Bekanntheit genießen), denn eine auf Grund (steuer)rechtlich gravierender Unterschiede.

Die steuerlichen Aspekte bleiben bei der Entscheidung der Gründer für oder gegen ein bestimmtes Modell mithin nur eine von mehreren Dimensionen, die es zu berücksichtigen gilt.  

Über den Autor

Matthias Krämer, PARTNER, LPA-GGV (Frankfurt)

Matthias ist Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht und Fachanwalt für Steuerrecht. Er berät deutsche und internationale Unternehmen zu komplexen Fragestellungen des nationalen und internationalen Steuerrechts.

Matthias ist Co-Autor des Praktiker-Handbuchs „Unternehmenskauf in der Steuerpraxis“ (Springer-Verlag) und ad-hoc Kolumnist für die Wirtschaftswoche. Zuvor hatte er eine eigene Steuer-Kolumne in „Der Mittelstand“. Er ist Mitglied im Zulassungsauschuss der Fachanwälte für Steuerrecht.

Matthias war zu Beginn seiner Laufbahn Rechtsanwalt und Steuerberater bei PwC (damals: Coopers & Lybrand).

Sunday Briefing - Dein kostenloser Newsletter aus dem Startup- und Innovations-Ökosystem FrankfurtRheinMain direkt ins Postfach.

Sunday Briefing - Der kostenlose Newsletter für Startups und Innovation in FrankfurtRheinMain.