hessian.AI will künstliche Intelligenz in Hessen vorantreiben

Es klingt kolossal: 38 Millionen Euro Investment und 22 neue Professuren im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) für hessische Hochschulen. Mit hessian.AI will es das Land an die Spitze der KI-Forschung in Deutschland schaffen.

Für KI-Interessierte: Am 28.10. findet im Rahmen unserer STARTUP Safari ein KI-Schwerpunkt bei Statworx in Frankfurt statt ! Hier geht’s zum Event.

Annette Miller ist seit Anfang des Jahres Geschäftsführerin des Hessischen Zentrums für KI – hessian.AI. Mit ihren Kolleg:innen aus der hessian.AI Geschäftsstelle will sie helfen, Hessen zu einem „KI Leuchtturm“ zu machen. Das Zentrum wurde vergangenes Jahr bewilligt, sein Ziel: Spitzenforschung in Hessen vorantreiben, Akzeptanz in der Bevölkerung verbreiten und den Wissenstransfer von den Hochschulen in die Wirtschaft fördern. In Darmstadt und Frankfurt sollen die Zentren von hessian.AI entstehen. Viel zu tun also für Miller. Eigentlich kommt sie kommt aus den Wirtschaftswissenschaften, hat lange im Referat Forschungstransfer der TU Darmstadt gearbeitet. Sie sei überzeugt von der Zukunft der KI in Hessen, nicht zuletzt wegen der vielen Professor:innen und Expert:innen, die hessian.AI unterstützen, sagt sie.

hessian.AI bündelt nicht nur die bestehenden KI-Kompetenzen von 22 hessischer KI-Wissenschaftlern und baut diese durch 22 zusätzliche KI-Professuren aus. Das Konstrukt soll auch als Hub und Multiplikator fungieren. So soll sich die Industrie bei hessian.AI über Startups und Wissenschaft im AI Bereich informieren können, genauso wie Startups durch eigene Angebote unterstützt, aber auch an die richtigen Anlaufstellen verwiesen werden können. Hinzu kommen Talks und andere Eventformate, die das Thema AI auch einem Massenpublikum beibringen sollen. Kompetenzen bündeln und vernetzen, nennt Miller es.

Auch Entrepreneurship- und Ethikprofessuren

Aufgeteilt werden die Stellen auf insgesamt zehn Universitäten verteilt über Hessen. KI und Entrepreneurship stehen dabei natürlich auf dem Plan, aber auch der verantwortungsvolle Einsatz von KI. Um im Wettbewerb um die begehrten KI-Experten mithalten zu können, setzt hessian.AI auf die Attraktivität des Standorts: zum Beispiel durch Superrechner für KI-Systeme, das Forschungsprofil und die bereits bestehende Forschung der hessischen KI-Wissenschaftler:innen.  Die Besetzung der Professuren wird jedoch noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. Dafür haben verschiedene Aktivitäten bereits begonnen, wie z.B. eine regelmäßige KI-Sprechstunde. Darüber hinaus beteiligt sich hessian.AI am neuen Darmstädter foundersXchange (ehemaliger Gründerstammtisch), um KI-Startups die Möglichkeit für den Austausch zu schaffen.

International steht Deutschland in der Forschung gar nicht schlecht dar: Es verzeichnet von 2015 – 2018 die fünftmeisten Publikationen auf der Welt im KI-Bereich, geht aus einem Papier vom Digitalverband Bitkom hervor. China führt die Liste an, gefolgt von den USA, Indien und dem Vereinigten Königreich. Im Vergleich zu seiner Einwohnerzahl also ein guter Wert, dennoch hapert es oft beim Transfer in die Wirtschaft. 73% von 603 befragten Unternehmen an, gibt Bitkom in einer anderen Studie an, sehen KI als die wichtigste Zukunftstechnologie. Aber nur 6% der Unternehmen würden KI aktiv einsetzen, immerhin 22% planen die Nutzung oder diskutieren sie.

Langfristig mehr Nachwuchs

Corporates fehlt dabei oft das richtige Personal und damit das Know-How, um KI gezielt umzusetzen. Ein Problem, dass Sebastian Baumann gut kennt. Sein Startup DATAbility sitzt in Darmstadt, er selbst war dort lange Zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter. Das Unternehmen nutzt Künstliche Intelligenz, um Fehler bei Industrieanlagen vorherzusagen und den Kundenservice zu automatisieren. DATAbility ist eine Ausgründung aus der TU Darmstadt, und damit genau das, was hessian.AI in Zukunft stärker fördern möchte. Dabei gebe es zahlreiche rechtliche Hürden, erzählt Baumann. Sind die Eigentumsverhältnisse an dem technischen Wissen sauber zwischen Uni und Gründer:innen getrennt, wie funktioniert eine Gründung rechtlich? Baumann und seine Co-Founder konnten zur Startupgründungsberatung HIGHEST an der TU Darmstadt gehen. Häufig fehlt allerdings noch das Wissen um solche Angebote. Weil das Startup zwischen Informatik und Ingenieurswissenschaften arbeitet, kämpft es mit der Personalsuche. Dafür haben die Gründer sogar einen eigenen Kurs an der Hochschule kreiert. „Wir brauchen Ingenieure, die auch programmieren können, und die sind schwierig zu finden“, sagt Baumann.

Durch die Professuren, so der Plan von hessian.AI, soll auch langfristig mehr Nachwuchs in Hessen entstehen. Der ist für viele Unternehmen Mangelware. Laut einem Bericht des Ministeriums für Wirtschaft und Energie aus dem Jahr 2019 bleiben 43% der Stellen im KI-Bereich offen. hessian.AI soll diese Lücke schließen. Wenn nun also genug Nachwuchs da ist und Unternehmen nach KI-Lösungen suchen, dann bleibt ein letztes Problem: Der Wissenstransfer. „Oft scheitern Technologien aus der Universität daran, dass sie nicht skalierbar sind. Die Erwartungen der Industrie sind sehr hoch, breit gefächert und vorausschauend“, sagt Baumann.

China und USA liegen weit voraus

Trotzdem, das Land Hessen sei forschungsstark, erklärt Peter Buxmann. Er ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der TU Darmstadt und forscht zu Anwendungen künstlicher Intelligenz in Wirtschaft und Gesellschaft. Darmstadt, so Buxmann weiter, sei nicht nur in Hessen, sondern europaweit ein KI-Leuchtturm. Aber auch in Frankfurt und Marburg werde beispielsweise gute Forschung betrieben. „Sie können immer sagen, das ist zu wenig. Aber wenn die 22 Professuren erst einmal da sind, dann wird es uns gelingen, das Thema KI noch besser in die Wirtschaft und Gesellschaft zu integrieren“, so Buxmann. Er selbst halte viele Vorträge, Workshops und bekomme zahlreiche Anfragen für das Thema. Das Interesse für KI sei da, auch wenn Länder wie China und die USA weit vorauslägen.

Trotzdem könnten auch deutsche Unternehmen einen Fuß an den Markt setzen, so Buxmann. Eben durch die Besetzung von Nischen, für die sich KI-Riesen wie Google und IBM nicht interessierten. Ein herausragendes Beispiel ist das Starup deepL. Startups könnten und werden zukünftig aber noch einen größeren Beitrag leisten, um innovative Lösungen aus Hochschulen heraus in die Wirtschaft zu tragen. „Ich bin da sehr optimistisch“, so Buxmann.

“AI friendly region” wäre ein großer Schritt

AI Frankfurt Rhein-Main e.V. beispielsweise, das auf Initiative des Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) zurückgeht. Ziel des Vereins: Vernetzung und Wissenstransfer zwischen Hochschulen und Unternehmen; außerdem Transparenz schaffen, für einen Dialog mit der gesamten Gesellschaft. Der Verein wird unter anderem unterstützt von der Stadt Frankfurt und der Frankfurt University of Applied Sciences, hat Mitglieder aus Wissenschaft und Wirtschaft aus der gesamten Rhein-Main Region.

Auf seiner Website präsentiert der Verein eine Liste, die so genannte Solution Map, mit Unternehmen, die mit KI-Lösungen arbeiten. Er veranstaltet Fachvorträge und Hackathons. „Viele kleinere und mittelständische Unternehmen haben oft nicht die Möglichkeit, um in Forschung und in Entwicklung zu investieren. Die fragen sich jetzt: Ist KI etwas für mich?“, erklärt Stefan Jäger, Vorstand des 2019 gegründeten Vereins. Dabei gehe es gar nicht darum, ein führender Standort für Künstliche Intelligenz zu werden, so Jäger. Das Schaffen einer „AI friendly region“ wäre schon ein großer Schritt.

Bayern und Baden-Württemberg sind deutschlandweit Spitze

Auch deutschlandweit ist Hessen damit noch lange nicht Spitze. Bisher hat das Land laut Bitkom-Bericht genau 8 KI-Professuren. Miller zufolge sei die reale Zahl an Professuren in Hessen jedoch wahrscheinlich deutlich höher. Allein bei Hessian AI seien 22 Professuren, die sich im Kernbereich mit KI auseinandersetzen, angesiedelt. Die Nase vorn jedenfalls hat klar der Süden des Landes: In Bayern sind laut Bitkom derzeit 33 KI-Professor:innen beschäftigt, aber das Land hat einen Ausbau geplant – so sollen bald über 100 Stellen für KI vorgesehen sein. Baden-Württemberg kommt auf ganze 43.

Das Land und Private haben in den vergangenen Jahren massiv investiert in das sogenannte Cyber Valley in Tübingen und Stuttgart. Heute ist es eines der größten Forschungszentren zu KI in Europa. Und daran will das Land Hessen nicht den Anschluss verlieren. hessian.AI wird von 2022 – 2024 mit insgesamt 38 Millionen Euro unterstützt. Getragen wird diese Summe vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst, dem Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen und dem Ministerium für Digitale Strategie und Entwicklung. Hessen soll zu einem KI-Zentrum ausgebaut werden, mit „exzellenter Spitzenforschung und konkretem Praxisbezug“, heißt es auf der Website der hessischen Regierung.

Hessian AI schließt Lücken im Angebot

Bedroht sieht sich Miller von anderen hessischen Initiativen nicht. „Ich sehe das wie ein Puzzle“, sagt sie. Das Ziel sei es nicht, Dinge zu tun, die schon jemand anderes macht. Vielmehr soll hessian.AI exzellente Forschung vorantreiben und Lücken im Unterstützungsangebot schließen. So sollen Forschungsergebnisse besser in Innovationen überführt werden können. Deswegen geht es bei der Initiative auch um „Third Wave AI“. Um KI-Systeme, die nicht nur vom Menschen programmierte Regeln ausführen, sondern in der Lage sind, sich an neue Situationen anzupassen und die in Interaktionen mit Menschen stehen. Das ist ein Zeichen. Dass das Land in die Zukunft schaut, dass es vorne dabei sein will bei der nächsten Welle KI-Systeme. „hessian.AI ist eine riesengroße Chance“, sagt Miller, „Hessen kann immens profitieren, wenn ein Innovationsökosystem mit unterschiedlichen Akteuren entsteht, das ausgehend von Spitzenforschung als Anziehungspunkt für Talente und Unternehmen sowie als Brutstätte für Startups wirkt“.

Und wie geht’s weiter?

Es gibt übrigens noch mehr KI-Projekte in FrankfurtRheinMain. Zum Beispiel das Financial Big Data Cluster. Das schauen wir uns das nächste Mal an!

Sunday Briefing - Dein kostenloser Newsletter aus dem Startup- und Innovations-Ökosystem FrankfurtRheinMain direkt ins Postfach.

Sunday Briefing - Der kostenlose Newsletter für Startups und Innovation in FrankfurtRheinMain.