Scale Mitte von PwC – Wachstum lernen
Das sind die Teilnehmer-Startups des Scale-Programms

Skalieren, aber richtig – wie das geht, erklären die Experten von Pwc in Ihrem Programm „Scale Mitte“, ein regionales Startup-Programm für Mitteldeutschland, welches das Innovations-Ökosystem in der Region fördern soll. Innerhalb von zehn Wochen hat PwC dabei 12 B2B-Startups aus der Region begleitet und unterstützt. PwC stellt das Programm hier im Interview mit einigen Teilnehmern vor!

Im Rahmen von Masterclasses und Insight Sessions wurden die Startups mit PwC-Experten und etablierten Unternehmen, sowie mittelständigen und Familienunternehmen aus der Region zusammengebracht, bevor Sie am Ende vor geladenen Unternehmensvertretern und Investoren gepitcht haben. PwCs Next Level ist die Startup-Initiative der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC, die das Innovation Ecosystem fördert und dabei eine Plattform zum Austausch zwischen Startups, Corporates und Investoren bietet.

Dies wurde in Kooperation mit der “Wirtschaftsinitiative Frankfurt” durchgeführt, dabei hat die Wirtschaftsinitiative Ihre Mitgliedsunternehmen ebenfalls eingeladen.

Teilnehmende

Carmen Rommel              COO & Co-Founder, BIOVOX

Minh La                            CEO & Founder, Racksnet

Steffen Holly                     CEO & Founder, Psoido

Daniel Spengemann         PwC

Elena Beletsioti                PwC

PwC: Wir begrüßen heute Carmen, Steffen und Minh, die vor Kurzem mit ihren Startups an unserem Scale-Programm Mitte teilgenommen haben und möchten über bisherige Erfahrungen, Hürden und Erfolge in ihrem Startup-Leben sprechen. Schön, dass ihr mit dabei seid! Stellt euch gerne einmal kurz vor.

Carmen Rommel: Ich bin Carmen von BIOVOX. Wir sorgen mit Biokunststoffen für eine lebenswertere Welt. Im Fokus sind dabei biologisch abbaubare Kunststoffe, mit denen wir nicht nur die Mikroplastikverschmutzung und CO2-Ausstoß drastisch reduzieren wollen, sondern auch medizinische Anwendungen auf ein ganz neues Level bringen wollen.  Wir beraten unsere Kunden intensiv bei der Umstellung auf die neuen Werkstoffe. Die Anwendungen sind vielseitig und reichen von Maschinenteilen über Kosmetikverpackungen zu biologisch abbaubaren Flaschen. In der Medizintechnik arbeiten wir unter anderem an vom Körper abbaubaren Implantaten, um Knochenbrüche einfacher und sicherer zu heilen und mit weniger Operationen auszukommen.

Steffen Holly: Ich bin Steffen, einer der Gründer von Psoido. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Privatsphäre von Firmen mit einzigartiger Anonymisierung und Pseudonymisierung zu schützen. Denn das Haupthindernis bei der Datenteilung zwischen Firmen und Nutzern liegt meist in der Angst, dass damit unautorisierte Vorgänge ausgelöst werden. Es geht also nicht nur um Datenschutz oder Datenauswertung, sondern um die Ermöglichung von beidem. Aktuell versuchen wir gemeinsam mit PwC, passende Piloten an Bord zu kriegen.

Minh La: Ich bin Minh, einer der Gründer von racksnet. Wir sind ein Softwarehersteller im Bereich Netzwerkautomatisierung. Unsere Lösung hilft dem Kunden, die komplexen Unternehmensnetzwerke einfacher und sicherer zu verwalten bzw. zu automatisieren. Dabei ist eine ganz wichtige Eigenschaft bei racksnet die einfache Migration von einem Hersteller zum anderen Hersteller und dies vollkommen automatisiert und fehlerfrei. Der Kunde kann dadurch, viel Arbeit, Zeit und Ressourcen sparen. Zukünftig schneller freie Entscheidungen in Richtung IT Operations treffen und nicht nur an einen der großen Hersteller gebunden zu sein.

PwC: Danke Euch, eine spannende Runde heute! Dann starte ich mal mit der ersten Frage. Was zeichnet die Rhein-Main-Region für euch heutzutage aus? Wie ist der aktuelle Stand und was wünscht ihr euch von der Region?

Minh La: Die Wirtschaft in der Region ist sehr stark. Natürlich zum einen sehr bankenlastig, zum anderen haben wir aber auch große Dax-Konzerne und Firmen en masse. Wenn es aber um die Startups in der Region geht, habe ich Bedenken. Wenn man München oder Berlin betrachtet, zeichnet sich dort ein viel positiveres Bild – die Städte sind Vorreiter bei diesem Thema. Hier in der Region haben wir eher Probleme damit. Unsere öffentliche Wahrnehmung beim Startup-Thema ist viel geringer. Denn auch die meisten Investoren agieren – bis auf Investments im Bereich Finance – eher in anderen Hotspots, außerhalb der Rhein-Main-Region.

PwC: Wenn ich das richtig verstehe, ist das Ökosystem einfach nicht so stark vertreten und nicht so stark nach außen sichtbar. Deswegen sind es die Startups auch nicht.

Minh La: Natürlich gibt es einige Initiativen und Netzwerke hier vor Ort. Viele sind auch in einzelnen Hubs vertreten. Allerdings stößt dieses Netzwerk auch schnell an seine Grenzen – wir kommen hier nicht so weit, wie wir gerne wollen.

Aber gerade auch durch die aktive Beteiligung von PwC in der Region wird sich da nochmal vieles zum Positiven verändern – da habt ihr jetzt genau den richtigen Nerv getroffen. Ein Netzwerk wie eures haben wir vorher lange gesucht, aber hier bisher nicht gefunden. Und deshalb arbeiten wir mit PwC – das bringt uns sehr viel weiter.

Carmen Rommel: Ich finde deine Einschätzung sehr interessant, Minh. Wir haben in Darmstadt an der TU die engagierte Gründungsberatung von HIGHEST, welche uns insbesondere in der Anfangsphase mit Rat und Tat unterstützt hat. Aber das ist, wie mir auch im Gespräch mit anderen Startups aufgefallen, nicht überall so. Und wenn dieses Umfeld hier fehlen würde wüsste ich auch nicht direkt, an wen ich mich wenden sollte.

Steffen Holly: Ich kann das von außerhalb auch so bestätigen. Wir hatten als Erfurter Unternehmen vor allem zwei Ansprechpartner im Rhein-Main-Gebiet. Einmal das Tech-Quartier, die sich eher mit FinTechs auseinandersetzen. Und dann gibt es noch den Cybersecurity-Hub in Darmstadt – aber auch als universitäre Einrichtung. Die Region hat Potenzial, es wird aber noch nicht genutzt. So hatte ich auch in Berlin schon einmal ein Startup.  Wenn man dort auf die Straße geht und rufst, kennt man ab einem bestimmten Punkt die Szene. Wenn man sich dann in irgendeiner Form mit dieser Szene verbunden hat, dann wird man auch immer wieder aufeinander aufmerksam. Und das fehlt hier in der Rhein-Main Gegend. Ich glaube, da sind diese Grenzen, die eigentlich nicht nötig sind. Die machen es dann doch ein bisschen schwerer, weil der eine es dem anderen nicht gönnt. Rein vom Gefühl her, müsste die Region eigentlich in einer anderen Liga spielen.

PwC: Ich glaube, eine zentrale Anlaufstelle braucht man immer. Ich stimme euch zu, wenn man den Vergleich zu Berlin zieht. Haben euch denn irgendwelche regionalen Netzwerke oder Partner bei der Produktion, bei der Entwicklung oder bei irgendeinem Piloten geholfen?

Steffen Holly: Ich kann es kurz machen. Denn gerade wie eben erwähnt ist der Digital Hub Cybersecurity für uns relevant. Der sitzt in Darmstadt auch an der richtigen Stelle.

Carmen Rommel: Wir sind in Mainz mit dem Gutenberg-Health-Hub und einigen Fachgebieten der TU und der Hochschule in Darmstadt sehr gut vernetzt. Das ist gerade für unser Medizinproduktentwicklung sehr wertvoll. Die übernehmen einige Untersuchungen für uns, sind Kooperationspartner für geförderte Projekte und wir können manche Einrichtungen auch selbst ab und zu nutzen.

Minh La: Wir haben eher weniger vom Startup-Netzwerk hier vor Ort profitiert, dafür mehr von relevanten Netzwerk-Herstellern oder Endkunden. Durch meine vorherige Tätigkeit kannte ich noch einige Personen aus den verschiedensten Bereichen der Industrie, Hersteller oder IT-Systems Häuser, die uns bei der Weiterentwicklung unseres Produktes unterstützt und stets wichtige Feedbacks gegeben haben. Als Startup ohne Zugang zu diesem vorherigen Netzwerk in der Branche, hätten wir das so nicht geschafft. Das ist der Punkt, den ich hier an der Region so schade finde. Uns fehlt hier diese Startup-Kultur wie in Amerika, in der wir uns gegenseitig mehr treiben und pushen. Es wäre schade, wenn die ganzen Top-Leute hier in der Region abwandern.

Steffen Holly: Ich denke, gerade für Startups ohne dieses Netzwerk ist ein vorhandenes Netzwerk, wie bei PwC, für den Start dann umso besser. So hatten wir relativ schnell Kontakt mit dem Regionalleiter von PwC in Erfurt – und wer kennt die regionalen Unternehmen besser als die Wirtschaftsprüfer vor Ort? Über diesen Weg kriegt man nochmal bessere Kontakte und Vernetzungen hin als über die regionalen Startup-Netzwerke. Mit PwC ist da dann jemand, der die Startups zusätzlich mit an die Hand nimmt und bei interessanten Unternehmen platziert – es reicht auch oft schon der einfache Austausch, ohne konkretes Ziel. Es tut im Endeffekt allen Parteien gut, an diesem Austausch teilzuhaben und einfach mal über die Idee zu reden. Gerade auch in Regionen, die nicht allzu sehr mit Startups gesegnet sind, ist das ein optimaler Weg. Denn untereinander kann man sich meist nicht so gut helfen, da man oft auch thematisch weit auseinander liegt. Insofern ist es gut, wenn einer wie PwC noch zusätzlich da ist und sagt “okay, ich kann das ein bisschen sammeln. Ich weiß, um was es hier geht und ich weiß, wer sonst noch in irgendeiner Form daran Interesse hat.” Und selbst wenn es nur ein Austausch ist, weil der Geschäftsführer innovativ ist und sich gerne was neues anhört. In diesen Gesprächen kriegt man auch wertvolles Feedback zum eigenen Geschäft.

Carmen Rommel: PwC ist eben auch überregional und nicht nur in Erfurt oder im Rhein-Main-Gebiet vertreten, sondern in ganz Deutschland – bzw. weltweit. Wir haben über PwC Kontakte zu potenziellen Kunden bekommen, die an unseren Biokunststoffen interessiert sind und mit uns ihre Anwendungen weiterentwickeln wollen.

PwC: Da sind wir dann auch direkt beim nächsten Thema. Jeder von euch hat ja ein eigenes Geschäftsfeld, indem er sich bewegt. Mit welchen Herausforderung seid ihr daher in das Scale Programm gestartet, an denen wir gemeinsam arbeiten wollten? Und hat euch das Programm dabei weitergeholfen? Bitte offen und ehrlich antworten.

Steffen Holly: Wir hatten das Ziel, dass wir Ende des Sommers in eine neue Finanzierungsrunde gehen wollen und wir hatten vor, unser bisher Gelerntes mal anzuwenden und auch mit anderen zu challengen. Durch das Programm haben wir nun ein komplett neues Selbstbild und gehen auch anders auf Dritte zu, die uns noch nicht kennen. Es ist enorm wichtig, genau darüber Bescheid zu wissen. Daraus haben sich für uns auch eine bessere Equity Story und Webseite ergeben. Denn die Experten von PwC haben direkt gemerkt, wo es bei uns hakt und was nächste Schritte sind. Natürlich ist das Programm ein Investment, das zunächst auch weh tut. Der Vorteil am Ende ist jedoch, dass man deutlich stärker aus dem Programm kommt. Und das ist es dann auch wert. Zusätzlich sind für uns die neuen Kontakte natürlich auch wichtig gewesen, die wir hier schon angesprochen haben. Somit wurden unsere Erwartungen voll erfüllt.

Minh La: Wir haben nicht nur einen großen Kunden, sondern auch einen großen Partner gewonnen, der mit uns weltweit zusammenarbeiten und Produkte verkaufen möchte.  Das war natürlich eine große Herausforderung, als kleines Startup mit einem großen Unternehmen mitzuhalten. Da kommt dann natürlich die Frage: „Seid ihr gut genug, mit nur zehn, elf Leuten?“. Natürlich können wir das, aber man muss dieses Momentum aufbauen und sich beweisen. Und da hat das PwC Scale Programm super gepasst, da wir nun durch die Zusammenarbeit mit PwC stärker in die Verhandlung gehen können, ganz nach dem Motto “Hey, mach dir keinen Stress, wir haben nicht irgendeinen Partner, sondern PwC. Das Scale Programm hilft uns, uns nochmal zu verbessern.” Genau diese Ressourcen- oder Skalierungsprobleme, die Startups in der Regel haben, können wir mit PwC auf den Tisch bringen.

Dafür ist dieses Programm ein klasse Türöffner. Das hat uns auch mehr Glaubwürdigkeit gegeben. Was, wenn wir ohne PwC am Tisch gesessen hätten? Dann hätten sie uns das vielleicht nicht zugetraut. Genau das ist das, was wir mit diesem Scale Programm vorantreiben wollten: Wachstum.

Carmen Rommel: Für uns stand vor allem das Thema “Investor Readiness” im Fokus, da wir für unsere Medizin-Entwicklung einen großen Finanzbedarf haben. Wir haben dann zusammen mit den PwC-Experten die strategische Vorgehensweise und Ansatzpunkte für die Finanzierung erarbeitet. Die Erfahrung von PwC war dabei viel wert, da PwC schon viele Startups bei Finanzierungsrunden begleitet hat und genau weiß, was funktioniert und was nicht. Und ja, wir haben eine erste Finanzierungsrunde mit Business Angels aus dem Rhein-Main-Gebiet abgeschlossen und sind für die Finanzierungsrunde im nächsten Jahr bereits mit einigen weiteren Investoren im Gespräch.

PwC: Wenn man ein bisschen auf eure Gründerstory schaut, gibt es dann irgendwelche Highlights, die ihr mit uns teilen wollt? Was war bisher das größte Highlight in eurer Gründer:Innen-Laufbahn?

Minh La: Wir haben letztes Jahr erfolgreich an einer Startup-Challenge teilgenommen, bei dem wir einen Award als Top 100 der innovativsten Gründer in Europa, sowie einen Award als Top 100 in Nord Amerika erhalten haben.  Das hat uns natürlich richtig stolz gemacht, weil wir als einziges deutsches Startup im Silicon Valley gewannen. Nun wollen wir es nochmal wissen und treten neu für die Top 100 Global an.

Carmen Rommel: Wir hatten zwei besondere Momente. Zum einen, das erste Produkt aus unserem Biokunststoff in den Händen zu halten und zum anderen, den ersten Auftrag für ein spannendes Entwicklungsprojekt mit einem renommierten Mittelständler gewonnen zu haben. Davor haben wir uns vor allem mit Prototypen beschäftigt und nur vom ersten fertigen Produkt geträumt. Das tatsächlich in der Hand zu halten ist nochmal ein ganz anderes Gefühl.

Steffen Holly: Für mich persönlich war das größte Erlebnis unsere erfolgreiche Finanzierungsrunde, die wir trotz schlechter Umstände Ende letzten Jahres doch noch abschließen konnten. Durch Corona hatten uns damals alle Pilotkunden abgesagt – dann sprangen uns auch noch unsere Investoren ab. Unser Kartenhaus, und damit unsere Vision von Psoido, ist dadurch kurzzeitig komplett eingestürzt. Ein persönlicher Unfall hatte mich dann auch noch selber zurückgeworfen, sodass eigentlich alles auf einen Untergang zulief. Doch ein Investor hat weiterhin an uns geglaubt, sodass es trotzdem funktioniert hat. Das war in dieser Situation nicht selbstverständlich. Nun gehen wir stärker in die Zukunft!

Carmen Rommel: Ja, das war auch für uns ein weiteres Highlight. Wenn sich Investoren dafür entscheiden, wirklich in unser Unternehmen und damit in unsere Vision zu investieren, dann ist das eine ganz starke Bestätigung und weitere Motivation.

Minh La: Diese Bestätigung ist unheimlich wichtig um zu wissen, dass man auf dem richtigen Weg ist. Solche Bestätigungen oder die Gewinnung großer Partner, wie in unserem Fall, ist dabei nochmal ein richtiger Motivationsschub.

PwC: Gibt es denn Ratschläge, die ihr vor Eurer Gründung gerne schon erhalten hättet?

Steffen Holly: Eher ein allgemeiner Ratschlag. Es dauert sowieso immer alles länger, als man denkt – gerade auch durch die aktuelle Situation. Natürlich kann man jemandem etwas über Videocalls verkaufen. Vor allem bei bei bekannten Produkten.  Wenn man allerdings mit einem neuen Produkt um die Ecke kommt, benötigt man diese persönliche Ansprache. Letztes Jahr hat mir einer gesagt, dass Corona im Frühjahr 2021 vorbei ist. Der Nächste nennt nun Frühjahr 2022 – Corona wird uns allerdings noch länger beschäftigen. Und da eine Balance zu finden dauert zwar länger, aber man hat keine andere Wahl. Daher ist es wichtig, immer einen Schritt vor den nächsten zu machen. Und wenn es der falsche Schritt war, lernt man daraus. Trotzdem ist es doch erschreckend, wie lange es dann doch dauert.

Carmen Rommel: Oh ja, das überrascht uns auch immer wieder. Es dauert alles immer länger als geplant und vieles von dem, was man als unkritisch eingeschätzt hat, birgt den Teufel im Detail. Denn die Lage im Startup ändert sich ständig durch neu gewonnene Informationen und Störgrößen von außen.

Minh La: Da bin ich bei Euch. Geduld ist das eine, Networking ist das andere. Man muss das Rad nicht jedes Mal neu erfinden, wenn andere an den gleichen Baustellen arbeiten. Man kann von den Erfahrungen der anderen lernen. Networking ist wichtig, auch wenn jede Firma anders funktioniert. Die Richtung und der Aufbau ist oftmals gleich. Und da ist man mit Euren Programmen auch genau richtig.

PwC: Hat euch das denn generell irgendwas gebracht, mit anderen Startups zu sprechen? Sprecht ihr viel mit anderen über Erfahrungen, Fails, Netzwerke und Kunden?

Steffen Holly: Auf jeden Fall. So sind wir auch noch regelmäßig mit anderen Teams in Kontakt, die wir damals über Fraunhofer kennengelernt haben. Es gibt Themen, die wir uns gegenseitig zuschicken, wie Texte oder Präsentationen, obwohl wir eigentlich in unterschiedlichen Bereichen sind. Corona hat diesen Austausch unter den Startups leider ziemlich eingeschränkt, auch leider beim Scale-Programm – denn der Online-Austausch ist eben nicht so produktiv wie ein persönlicher Austausch. Nun wollen wir aber nicht darüber philosophieren. Es ist wie es ist. Umso mehr freue ich mich über ein persönliches Treffen im Nachgang, wenn es dann wieder möglich ist. Denn dafür ist es nie zu spät. Und Networking braucht man immer. Wir haben alle noch nicht das Stadium erreicht in dem wir sagen können, dass wir nicht mehr darauf angewiesen sind. Jeder Kontakt ist noch sehr wertvoll.

Carmen Rommel: Ich habe die gleiche Erfahrung gemacht. Wir haben auch noch eine Gruppe von Gründerinnen und Gründern aus einem Stipendium, mit der wir uns regelmäßig  zum Erfahrungsaustausch treffen. Manchmal ist es schön zu hören, dass andere Startups mit den gleichen oder ähnlichen Problemen konfrontiert sind. Da kann man sich häufig auch gegenseitig unter die Arme greifen.

Minh La: Genau diesen Austausch zwischen den Startups wünschen wir uns auch. Ich habe das Gefühl, dass die Landschaft hier in Deutschland noch nicht so offen ist – man agiert weniger miteinander aus Angst vor Nachahmern. Wenn man aber seine Kräfte bündelt, wird man viel stärker und kann eher auf die Kunden und auf den Markt zugehen. Natürlich führt man auch hierzulande dazu viele Gespräche, wenn es dann aber mal ernster wird, ziehen die meisten auch wieder zurück. Diese Mentalität ist unheimlich schwierig. Das müssen wir ändern.

PwC: Du sprichst damit einen spannenden Punkt an, den wir auch in einem der letzten Programme gesehen haben. Dort haben sich auch zwei Startups zusammengetan und am Ende gemeinsam gepitcht. Man hat während des Programms gemerkt, dass man sich gut ergänzt. Gibt es denn irgendwelche künstlichen oder finanziellen Hürden die verhindern, gemeinsam mit anderen Produkte zu entwickeln und sich zu bündeln? Es existieren ja doch viele ähnliche Ideen auf dem Markt, die man gemeinsam angehen kann.

Carmen Rommel: Für uns war die finanzielle Überbrückung am Anfang schwer. Das haben wir mit einem Stipendium und der EXIST-Förderung geschafft, die unseren Lebensunterhalt finanziert haben. So konnten wir unsere Jobs kündigen und uns voll und ganz unserer Idee widmen. Da muss man aber auch erst einmal hinkommen und sich für diese Programme qualifizieren. Auch bei den vielen Ideenwettbewerben gewinnen meist die Startups das Preisgeld, die nicht nur eine Idee, sondern schon ein fertiges Produkt haben. Mit welchem Geld soll man dann starten?

PwC: Wo würdet ihr euch denn gerne in die politische/soziale/gemeinschaftliche Diskussion mit einbringen?

Steffen Holly: Hier sehe ich vor allem großes Entwicklungspotenzial bei der öffentlichen Hand, denn Aufträge werden selten an Startups vergeben. Es gibt leider mit der luca App aktuell eine unrühmliche Ausnahme. Der Bund und die Länder haben so viele Gelder überwiesen, dass das eigentlich schon schwierig ist zu rechtfertigen. Aber das ist nur eine einzelne Geschichte. Grundsätzlich sollte man also die Vergaberichtlinien nochmal überarbeiten, denn auf die Kreativität von Startups können wir nicht verzichten. Vielleicht hilft dabei auch ein Partner, wie ein Beratungshaus, der bei der Politik das Vertrauen stärkt und für das richtige Setting sorgt. Das würde der Startup Community enorm helfen, denn der Investor “öffentliche Hand” ist extrem spannend und eine Zusammenarbeit würde beiden Seiten gut tun.

Minh La: Das kann ich bestätigen. Bei unserer letzten Ausschreibung wurden wir von der Behörde auch als sehr innovativ und gut empfunden. Unsere Mitbewerber waren allesamt auch größere Mitbewerber. Schlussendlich haben wir den Zuschlag nicht bekommen, da wir ein Muss-Kriterium über die Liquiditätsanforderungen in Millionenhöhe über die vergangenen drei Jahre nicht erfüllen konnten. Wie sollen wir das als Startup schaffen? Das ist genau das! Ohne Ausschreibung sind wir immer vorne mit dabei, mit Ausschreibung wird es schwierig.

PwC: Unabhängig vom Aufwand, der auch dahinter steht, sind die Kriterien auch nicht auf Startups angepasst. Es ist generell viel Aufklärungsarbeit erforderlich. Alleine bei den Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen sind wir Lichtjahre von den USA entfernt. Denn Startups können ihren Mitarbeitern nicht viele finanzielle Anreize zur Verfügung stellen – also beteiligt man sie lieber im Rahmen von ESOPs. Das ist allerdings noch nicht so populär.

Minh La: Wir würden uns auch wünschen, dass versprochene Zuschüsse auch leichter beantragbar sind. Dies haben wir auch bei Corona gemerkt. Da wurden vereinfachte Investments der staatlichen Hand für kleinere Startups versprochen, die wie letztlich hier vor Ort gar nicht beantragen konnten, da die örtlichen Mitarbeiter davon nicht in Kenntnis gesetzt wurden.

PwC: Zum Ende würde ich gerne nochmal auf die persönliche Ebene gehen. Was gibt euch regelmäßig wieder die Motivation und Energie, weiterzumachen? Wie könnt ihr mal abschalten?

Steffen Holly: Ich freue mich immer, wenn ich mir meine Gitarre schnappen kann. Dann schalte ich komplett ab.

Carmen Rommel: Bei mir ist es der Sport und die Arbeit im Garten. Dabei komme ich runter, kann mal durchatmen und neue Gedanken sammeln. Denn man kann nicht immer nur liefern, sondern muss seine Gedanken auch mal strukturieren: “Warum mache ist das? Was bringt mir das? Wo soll es hin gehen?”.

Minh La: Ich bekomme auch oft die Frage zu hören, warum ich mir das antue: “Warum lässt du eine gute Position und einen guten Job hinter dir. Warum tauschst du das gegen ein Startup?”. Aber am Ende des Tages kann ich die Welt vielleicht etwas zum Positiven verändern. Und der Rückhalt meiner Familie bestärkt mich enorm.

PwC: Wir sind natürlich froh, dass ihr mit einer solchen Energie die Themen treibt und als Startup Innovationen ermöglicht und die Wirtschaft prägt. Es kann nicht nur “große Tanker” geben, sondern es braucht auch viele kleine Schnellbote. Wir finden es daher auch immer super cool, wenn wir Euch helfen können.

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