Jung, gründungsaffin, gut ausgebildet: So stärken Gründende mit Einwanderungsgeschichte die deutsche Gründungsszene
Dr. Natalia Gorynia-Pfeffer, Projektleiterin bei RKW (Foto: RKW).

Wie ist das Gründungsverhalten von Menschen mit Einwanderungsgeschichte? Was motiviert sie, ein eigenes Unternehmen zu gründen? Welche Rolle spielen die Rollenvorbilder für sie? Antworten liefert der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) Länderbericht Deutschland 2020/21 des RKW Kompetenzzentrums in Kooperation mit dem Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover.

Ein Gastbeitrag von Dr. Natalia Gorynia-Pfeffer. Sie ist Projektleiterin für die GEM-Studie im RKW Kompetenzzentrum.

Potenziell Gründende mit Einwanderungsgeschichte

Hauptsächlich gründen im Jahr 2020 mit 82 Prozent Personen, die in Deutschland geboren sind. 18 Prozent der Gründungen entfallen auf Personen mit Einwande­rungsgeschichte. Trotzdem ist die Gründungsquote der migrantischen Bevölkerung mit 5,6 Prozent höher als die der nicht-migrantischen (4,7 Prozent). Außerdem ist der Anteil an potenziell Gründenden (also denjenigen, die in den nächsten drei Jahren vorhaben ein Unternehmen zu gründen) an allen befragten migrantischen Personen, mit 28 Prozent wesentlich höher als der Anteil potenziell Gründender an der nicht-migrantischen Bevölkerung (7,7 Prozent). Zu bedenken ist aber, dass auch die Gründungsquote von Menschen mit Einwanderungsgeschichte im Corona-Jahr 2020 von 11,8 Prozent im Jahr 2019 auf 5,6 Prozent im Jahr 2020 gesunken ist. Dies bestätigt auch der KfW Gründungsmonitor: Der Anteil von Personen, die nicht von Geburt an die deutsche Staats­bürgerschaft haben, ging (an allen Existenzgründungen) auf 21 Prozent zurück (2019: 26 Prozent).

Jung und gut ausgebildet

Knapp 30 Prozent der migrantischen und nicht-migrantischen Gründenden haben einen Universitätsabschluss. Noch ein größerer Anteil der Personen (ca. 40 Prozent) besitzt einen Abschluss einer beruflich-betrieblichen Berufsausbildung (Lehre). Hier unterscheiden sich die Ergebnisse zwischen den beiden Zielgruppen kaum.

Schließlich gründen junge Menschen häufiger als Ältere, unabhängig vom Migrationsstatus. Die Gründenden mit Einwanderungsgeschichte sind im Durchschnitt 34 Jahre alt und damit ca. fünf Jahre jünger als Gründende ohne Einwanderungsgeschichte.

Gründungsrelevante Einstellungen von Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte

Menschen mit Einwanderungsgeschichte halten eine Gründung häufiger für eine erstrebenswerte Berufswahl. Obwohl die beiden analysierten Zielgruppen gleichermaßen die Ansicht vertreten, Unternehmerinnen und Unternehmer würden hohes Ansehen genießen (über 80 Prozent), stimmen Personen mit Einwanderungsgeschichte häufiger der Aussage zu, dass in Deutschland die meisten Leute eine Gründung für eine erstrebenswerte Berufswahl halten (61 Prozent vs. 54 Prozent). Die mediale Berichterstattung über Gründende empfinden sie im Durchschnitt gleichermaßen positiv (ca. 50 Prozent).

Ökonomische Motive stehen nicht im Vordergrund von Gründungen bei Menschen mit Einwanderungsgeschichte

Ökonomische Motive stehen nicht im Vordergrund von Gründungen bei Menschen mit Einwanderungsgeschichte. Personen mit Einwanderungsgeschichte tragen nicht nur durch ihre überdurchschnittliche Gründungshäufigkeit, sondern auch durch die Qualität ihrer Gründungen (bezogen auf die Gründungsmotivation) zur deutschen Wirtschaft bei. Für Gründende mit Einwanderungsgeschichte sind trotz der Corona-Krise 2020 eher außer-ökonomische Gründungsmotive ausschlaggebend: Die Hälfte der Menschen mit Einwanderungsgeschichte, die gründet bzw. in den letzten dreieinhalb Jahren ein Unternehmen gegründet hat, tut bzw. tat dies, um eine Familientradition fortzusetzen. An zweiter Stelle nennen Menschen mit Einwanderungsgeschichte das Motiv „die Welt zu verändern“: Sie gründen unter diesem Motiv häufiger als Gründende ohne Einwanderungsgeschichte (ca. 50 Prozent vs. 38 Prozent). Dem Motiv, „den Lebensunterhalt zu verdienen, weil Arbeitsplätze rar sind“ stimmen ca. 40 Prozent der Menschen mit Einwanderungsgeschichte und 46 Prozent der Menschen ohne Einwanderungsgeschichte zu. Im Jahr 2019 lag der Wert bei Menschen mit Einwanderungsgeschichte noch bei knapp 57 Prozent. Somit bestätigt dieses Ergebnis nicht die allgemein angenommene Erkenntnis aus verschiedenen Studien, dass Menschen mit Einwanderungsgeschichte den Sprung in die Selbstständigkeit wagen, weil sie häufig schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

Rollenvorbilder von großer Relevanz bei der migrantischen Bevölkerung

Rollenvorbilder von großer Relevanz bei der migrantischen Bevölkerung Rollenvorbilder spielen für die Entscheidung zugunsten einer selbstständigen oder abhängigen Beschäftigung eine sehr wichtige Rolle. Aus der Migrationsforschung ist bekannt, dass Personen mit Einwanderungsgeschichte häufig gut untereinander vernetzt sind. Knapp 57 Prozent der Personen mit Einwanderungsgeschichte gibt an, mindestens eine Person zu kennen, die in den letzten zwei Jahren ein eigenes Unternehmen gegründet oder sich beruflich selbstständig gemacht hat. Bei Personen ohne Einwanderungsgeschichte waren es nur 42 Prozent. Somit gibt die migrantische Bevölkerung häufiger an, jemanden persönlich zu kennen, der sich in jüngerer Zeit selbstständig gemacht hat.

Zu diesen und anderen Ergebnissen des aktuellen GEM 2020/21 ist ein kostenloser Infografiken-Band als Download hier erhältlich.

Der GEM Länderbericht Deutschland 2020/21 steht hier zum Download oder zur kostenfreien Bestellung als Printexemplar zur Verfügung. Sämtliche GEM-Länderberichte Deutschland seit 1999 stehen hier als Download zur Verfügung. 

Über das RKW Kompetenzzentrum

Das RKW Kompetenzzentrum ist ein gemeinnütziger und neutraler Impuls- und Ratgeber für den deutschen Mittelstand. Sein Angebot richtet sich an Menschen, die ihr etabliertes Unternehmen weiterentwickeln, ebenso wie an jene, die mit eigenen Ideen und Tatkraft ein neues Unternehmen aufbauen wollen.

Ziel ist es, kleine und mittlere Unternehmen für Zukunftsthemen zu sensibilisieren und sie dabei zu unterstützen, ihre Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft zu entwickeln, zu erhalten und zu steigern, Strukturen und Geschäftsfelder anzupassen und Beschäftigung zu sichern. Zu den Schwerpunkten „Gründung“, „Fachkräftesicherung“ und „Innovation“ bietet das RKW Kompetenzzentrum praxisnahe und branchenübergreifende Lösungen und Handlungsempfehlungen für aktuelle und zukünftige betriebliche Herausforderungen. Bei der Verbreitung der Ergebnisse vor Ort arbeitet das Kompetenzzentrum mit Sitz in Eschborn eng mit den Expertinnen und Experten in den RKW Landesorganisationen zusammen.

Das RKW Kompetenzzentrum wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Weitere Informationen: www.rkw-kompetenzzentrum.de

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