Wie kann das Land Hessen Startups aus der Krise helfen? Erster Virtual Townhall sucht den Austausch mit der Szene
Staatssekretär Philipp Nimmermann. © HMWEVW

Netzwerk, Netzwerk, Netzwerk – das ist eine Lehre des ersten Virtual Townhalls gemeinsam mit dem Hessischen Wirtschaftsministerium vergangene Woche im TechQuartier in Frankfurt. Zu Wort kamen unter anderem die Wirtschaftsförderung Frankfurt, das TechQuartier selbst und der Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums Hessen. Sie haben den Austausch mit der Startupszene gesucht – und sich den Fragen von Startups gestellt. Vor allem zwei Themen waren von Interesse: Finanzielle Hilfen und Netzwerken. Das sind Ihre Antworten.

Gut 130 Zuschauer:innen im Stream, freut sich Dr. Philipp Nimmermann, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Hessen. Ihm gehört das erste Wort. Gleich zu Beginn erzählt er, dass der Startupszene in FrankfurtRheinMain ein Sprachrohr fehle. Andere Interessensverbände hätten ihn in Krisenzeiten sogar nachts angerufen. Die Veranstaltung jetzt soll deswegen eine Verbindung schaffen, über die Startups ihre Nöte und Wünsche mit den Landesakteur:innen teilen können. Mit dem TechQuartier und dem Start-up Hub Hessen der HTAI würden zudem schon zwei solcher Plattformen geboten.

In diesem Rahmen wurden auch Startups aus Hessen eingeladen, ihre Situation zu beschreiben. Gleich zu Beginn hat sich Ecozins vorgestellt. Das Startup aus Marburg ermöglicht Investitionen in erneuerbare Energien – und hat seit seiner Gründung im vergangenen Jahr noch keine reinen Gewinne gemacht. Daher hat Ecozins nicht von den Soforthilfeprogrammen des Landes profitieren können – die gelten nämlich nur für Unternehmen, die Gewinne ausweisen können. „Das hat sich angefühlt, als wäre uns ein Bein gestellt worden“, beschreibt Gründerin Isatu Hirche ihr Gefühl in der Krise. Der März war der bisher umsatzstärkste Monat von Ecozins, danach kam die Flaute.

Verschiedene Hilfen im Angebot

Nimmermann verweist hier auf „diverse Hilfsmaßnahmen“, die bereitgestellt wurden. Fast 95% der Unternehmen, die von diesen Maßnahmen profitieren, seien Klein- und Kleinstunternehmen. Klar sei aber auch, dass nicht alle diese Hilfen in Anspruch nehmen könnten.

Ein gutes Beispiel für passgenaue Unterstützung sei der Kredit „Hessen-Mikroliquidität“, der direkt von WIBank ausgereicht würde. Von den bisher vergebenen Krediten sind 70% an Betriebe mit bis zu 4 Mitarbeitenden geflossen. Voraussetzung ist allerdings, dass Unternehmen vor der Corona-Krise über ein tragfähiges Geschäftsmodell verfügt haben. Das Problem hierbei: Nur die Betriebsmittel werden finanziert. Also alle Kosten, die zur Aufrechterhaltung des Betriebs anfallen. Das Social Impact Lab Frankfurt hat in einem offenen Brief mit anderen Gründungsberatungen darauf hingewiesen, dass für viele Startups die laufenden Kosten gar nicht so hoch sind – dafür aber Punkte wie die Krankenversicherung der Gründer:innen und die Lebenshaltungskosten. In Frankfurt seien zum Beispiel die hohen Mieten eine Belastung.

Für alle Fragen zu Hilfen für Startups stehe die WIBank gerne zur Verfügung, betont Michael Reckhard von der Geschäftsleitung. Neben Finanzierung biete sie Startups auch Zugang zum vielfältigen Netzwerk der WIBank an, und dies werde auch intensiv genutzt. Insgesamt stünden aus den Fonds, die die WIBank-Tochtergesellschaft „Beteiligungsmanagementgesellschaft Hessen“ betreut, derzeit gut 83 Millionen Euro an Mitteln zur Verfügung. „Die Produkte der WIBank, und damit vor allem unsere Beteiligungsprodukte, stehen wie bisher Startups zur Verfügung. Die Förderung über Säule 2 bedeutet, dass wir zusätzliche Mittel bekommen. Unabhängig von der Säule 2 hatten wir unsere Fonds aber bereits aufgestockt“, so Reckhard.

WiBank bietet Beratung

„Wir möchten alle Startups in Hessen ermutigen, sich bei uns zu melden. Dadurch können wir den genauen Bedarf besser einschätzen und schauen, welche Möglichkeiten zur Finanzierung bestehen. Sollten keine bisher verfügbaren Produkte in Frage kommen, nehmen wir die Kontaktdaten auf und melden uns bei allen Interessenten, sobald es neue Fördermöglichkeiten gibt. Wichtig ist uns, dass keine Anfrage verloren geht. Grundsätzlich gilt, dass wir Startups dann finanzieren, wenn sie tragfähige, überzeugende Geschäftsmodelle und ein gutes Team haben.“

Eine zweite große Frage neben den finanziellen Hilfen war auch die des Netzwerkens. Was tut das Land Hessen für die Pflege des Netzwerks vor allem in Corona-Zeiten, fragt sich zum Beispiel Angelika Vits vom Teambuilding-Startup GREWP. Sie war als Sprecherin eingeladen. Eigentlich bietet GREWP Teambuildings vor Ort an, was in der Krise natürlich nicht möglich war. „Deswegen sind wir auf Online-Teambuildings umgestiegen. Das läuft mittlerweile so gut, dass wir überlegen, komplett auf online umzusteigen“, erzählt Vits.

Netzwerk bleibt zentraler Faktor

Auch für Nimmermann ist das Netzwerk ein ganz zentraler Faktor für den Standort FrankfurtRheinMain. Auch deswegen habe man das TechQuartier, wo pro Jahr etwa 250 Veranstaltungen mit bis zu 10.000 Besuchern stattfinden, ins Leben gerufen. Positiv bewerte er, dass neben Fintechs sehr viele Startups aus Querschnittstechnolgien wie KI oder Data Management sich im TechQuartier engagierten. Es sind außerdem zwei Großprojekte geplant: Ein Künstliche Intelligenz-Cluster und ein Financial Big Data-Cluster, bei welchem das TechQuartier federführend beteiligt ist. Das Land hofft auch auf Fintechs, die durch den Wegfall von London als europäischem Finanzdrehkreuz nach Frankfurt kommen. 

Die beiden geplanten Hubs sollen Unternehmen, Hochschulen und öffentliche Institutionen zusammenbringen. Frankfurt und, ganz wichtig, die Region sollen so Vorreiter werden: „Wir müssen unsere Kräfte bündeln“, sagt Reckhard. So könnten auch die Talente der Region gehalten werden. Diese beiden Hubs könnten ein „Gamechanger“ für das Ökosystem werden, erklärt Nimmermann weiter. Ein gutes Netzwerk, so Reckhard, sei dann manchmal sogar wertvoller als eine reine Finanzierung. Smart Money eben – und das will das Land auch fördern.

Virtual Townhall vielleicht bald Serie

Der Virtual Townhall soll eventuell eine Serie werden – und so die Kommunikation zwischen Startups und dem Land intensivieren. Was der Veranstaltung bisher gefehlt hat: Die Möglichkeit für konkretere Nachfragen aus dem Publikum und kritischere Stimmen. Dennoch, so viel muss gesagt sein, ist der Grundstein für einen regeren Austausch gelegt.

Dort finden Startups Informationen zu Hilfsangeboten

Startups finden Infos zu Hilfsangeboten auf der Landingpage der WIBank – dort ist auch ein Kontakt angegeben, an den man sich für eine individuelle Beteiligung wenden kann. Ein weitere Anlaufpunkt ist die Förderberatung Hessen. Wichtig dabei: Falls die WIBank keine Lösung bieten kann, versuchen die Expert:innen, passende Angebote zu vermitteln. Die WIBank empfiehlt, vor einem Gespräch das Geschäftsmodell auf maximal drei Seiten zusammenzufassen und sich Gedanken über den Kapitalbedarf und die Anwendungsfälle zu machen. Auch das Start-up Hub Hessen bietet Infos.

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