Hessens KI-Vorreiter: Robotics, Manufacturing & Engineering
Hessens KI Vorreiter

In unserer Reihe „Hessens KI-Vorreiter“, einer Kooperation mit hessian.AI und EDITH, stellen wir regelmäßig aufstrebende Startups aus der AI Startup Landscape Hessen 2024 vor. Diese Landkarte dient nicht nur der Sichtbarmachung von Potenzialen und Branchentrends, die durch die Entwicklung Künstlicher Intelligenz entstehen, sondern zeigt zugleich die Innovationskraft des hessischen KI-Ökosystems. In zwölf Branchen geclustert, umfasst sie aktuell 166 Startups, die zusammen 155 Millionen Euro an Investitionen erzielt haben. Im Spätsommer 2025 wird die nächste Ausgabe mit einer begleitenden Studie veröffentlicht.

In diesem Artikel richten wir den Fokus auf das Cluster „Robotics, Manufacturing & Engineering“, das mit 17 Startups zu den größten Clustern der AI Startup Landscape zählt. Mit Energy Robotics und Tvarit stellen wir zwei Startups vor, die mit ihren Technologien komplexe Herausforderungen in der Industrie lösen. Die beiden Deeptechs stehen exemplarisch für unterschiedliche Bereiche innerhalb des genannten Clusters: autonome Robotik-Lösungen für die Inspektion kritischer Infrastrukturen auf der einen Seite (Energy Robotics), datenbasierte Prozessoptimierung in der verarbeitenden Industrie auf der anderen (Tvarit). Die Gemeinsamkeiten: Beide Startups setzen neue Standards für ihre jeweiligen Branchen. Beide agieren und skalieren weltweit. Und beide haben mit ihren zukunftsorientierten Lösungen Futury Capital für sich gewonnen. Der Early- und Growth-Stage Investor ist auf aufstrebende Tech-Startups spezialisiert und unterstützt diese nicht nur mit Kapital, sondern auch mit Know-how und einem starken Netzwerk.

Energy Robotics: KI-Software für autonome Inspektionen mit Robotern

Ein Startup aus Hessen wird zum globalen Marktführer: Mit aktuell rund 70 Mitarbeitenden, einem internationalen Kundenportfolio und kontinuierlichem Wachstum hat sich das 2019 gegründete Energy Robotics zu einem der führenden Anbieter im Bereich der autonomen Inspektion entwickelt.

Das im HUB31 beheimatete Darmstädter Startup verfolgt eine klare Vision: die Digitalisierung und Automatisierung sicherheitskritischer Infrastrukturen weltweit. Ob Raffinerien, Öl- und Gasanlagen oder Kraftwerke, Energy Robotics ermöglicht es, regelmäßige Inspektionsrundgänge vollständig zu automatisieren und die dabei aufgenommenen Daten intelligent auszuwerten.

Der technologische Wandel wird dabei ganzheitlich gedacht: Von der Automatisierung über die Datenanalyse bis hin zur Integration in bestehende Systeme bietet das Unternehmen seinen Kunden – darunter Branchenführer wie Shell – individuelle Full-Stack-Lösungen. „Unsere Roboter übernehmen die notwendigen Anlagenrundgänge und erfassen dabei sämtliche relevanten Daten. Die KI extrahiert technische Werte wie Druck- oder Temperaturangaben, analysiert und bewertet Auffälligkeiten und gibt die Daten direkt an die Steuerungssysteme weiter“, erklärt Marc Dassler, Co-Gründer und CEO von Energy Robotics. Das reduziert ungeplante Ausfälle, verbessert die sogenannte „Predictive Maintenance“ – also die vorbeugende Instandhaltung, um Systemausfälle von vornherein zu vermeiden –, spart Ressourcen und macht gefährliche Arbeiten im Außeneinsatz überflüssig. Besonders häufig kommen die Roboter in schwer zugänglichen, gefährlichen oder sicherheitskritischen Umgebungen zum Einsatz, etwa in petrochemischen Anlagen oder Offshore-Plattformen.

Marc sieht intelligente Robotik nicht nur als technische Lösung, sondern auch als gesellschaftliche Antwort auf den demografischen Wandel: „Wir verlieren allein in Deutschland bis 2035 rund sieben Millionen Fachkräfte. Wenn wir diese Lücke nicht mit smarter Automatisierung schließen, riskieren wir den Ausfall ganzer Infrastrukturen.“ Zugleich geht es um die Digitalisierung von Expertenwissen, um es für die nächste Generation verfügbar zu machen. Marc ist überzeugt: „Die Robotik wird die gefragteste Technologie der kommenden Jahre sein. Vor allem, wenn sie mit KI verschmilzt.“


Für jede Umgebung der passende Roboter: Die Roboter- und Drohnenflotte von Energy Robotics (Bild: © Energy Robotics)

„Als Kapitalgeber wählen wir unsere Portfolio-Unternehmen anhand eines sorgfältigen Screenings aus“, erklärt Benjamin Krahmer, Managing Director bei Futury Capital. „Energy Robotics erfüllt sämtliche Kriterien, auf die wir dabei achten: Mit einem starken Team, einem hochwertigen und global skalierbaren Produkt, internationalen Kunden und einem klaren Fokus auf kritische Infrastrukturen löst das Unternehmen ein echtes und komplexes Problem – und zwar dort, wo Menschen nur schwer physisch arbeiten können.“ Energy Robotics ist es gelungen, sich innerhalb weniger Jahre als Standardlösung in der Öl- und Gasbranche zu etablieren. Inzwischen zählen sechs der zehn größten Öl- und Gasunternehmen zu seinen Kunden. Daneben expandiert das Startup in Branchen wie Stromerzeugung, Stromnetzwerküberwachung und Sicherheit. Damit dies weiterhin erfolgreich gelingt, appelliert Marc auch an die deutsche und europäische Politik und Wirtschaft:

“Das Potenzial ist enorm. Bei Energy Robotics ebenso wie bei vielen anderen Startups in Deutschland un Europa. Was wir benötigen, um auf globaler Ebene mithalten zu können, ist weniger Bürokratie und dafür mehr Mut, in europäische Lösungen zu investieren, diese zu nutzen und zu fördern.“

Tvarit: Smarte und nachhaltige Produktion in der Metall- und Prozessindustrie dank KI-gestützter Prozessoptimierung

Das in Frankfurt ansässige Startup Tvarit bietet Unternehmen in der Metall- und Prozessindustrie mit seiner KI-Plattform TiA® (Tvarit Industrial AI) eine intelligente Lösung zur datengetriebenen Optimierung industrieller Fertigungsprozesse. Mit Hilfe der Echtzeitanalyse von Prozessdaten stabilisiert TiA® Produktionsprozesse, minimiert Ausschuss, beugt Qualitätsabweichungen vor und reduziert Material- und Energieverluste. Intelligente Auswertungen, dynamische Benchmarks und eine kontinuierliche Prozessverbesserung ebnen den Weg hin zu einer smarteren und nachhaltigeren Produktion.

Gründer und CEO Suhas Patel vereint technologische Expertise mit praktischer Erfahrung aus dem Produktionsalltag: „Ich lebe seit fast 20 Jahren in Deutschland, kehrte aber zwischenzeitlich für vier Jahre in meine Heimat Indien zurück, um dort ein eigenes Werk aufzubauen – von der Grundsteinlegung über den Aufbau des operativen Betriebs bis hin zur Qualitätsüberwachung“, erzählt Suhas. „Dabei wurde mir bewusst, wie viel vermeidbarer Ausschuss dadurch entsteht, dass uns verwertbare Daten fehlen. Das wollte ich ändern.“

Gemeinsam mit seinem Team entwickelte Suhas TiA® (Tvarit industrial AI). Die KI-Plattform, die auf Hybrid AI basiert, kombiniert statistische Datenanalyse mit domänenspezifischem Expertenwissen, um präzise Einblicke in Produktions-, Ausschuss- und Qualitätsabweichungen geben zu können. „Die meisten Unternehmen analysieren Probleme erst im Nachhinein, wenn etwas schiefgelaufen ist. Unsere Software überwacht permanent sämtliche Produktionsdaten, erkennt die Ursachen für Qualitätsabweichungen, Energieverluste oder Ausschuss frühzeitig und gibt konkrete Handlungsempfehlungen, um diese zu minimieren.“

TiA® macht komplexe Produktionsdaten nutzbar und gibt smarte Empfehlungen zur Prozessoptimierung (Bild: © Tvarit)
TiA® macht komplexe Produktionsdaten nutzbar und gibt smarte Empfehlungen zur Prozessoptimierung (Bild: © Tvarit)

Das Frankfurter Startup hat seit der Gründung 2019 eine sehr gute Entwicklung hingelegt und konnte sich bereits mehrere bedeutende Finanzierungen sichern. Futury Capital gehört zu den Investoren, die frühphasig in das Unternehmen investierten. „Ich wurde durch einen Artikel auf Tvarit aufmerksam“, erinnert sich Benjamin. Die Entscheidung, Tvarit ins Portfolio aufzunehmen, fiel schnell. „Das Team war mit der Kombination aus technologischem und branchenspezifischem Know-how exzellent aufgestellt, das Marktpotenzial riesig und das Problem klar umrissen: ineffiziente Prozesse in der Metallproduktion. Die Gründer verzeichneten bereits erste Umsätze und hatten eine klare Vision, wie sich ihre Lösung global skalieren lässt.“

Tvarit, dessen Name sich aus der 3.000 Jahre alten Sprache Sanskrit ableitet und „schnell“ bedeutet, entwickelt seine KI-Lösung kontinuierlich weiter. Das Startup hat bereits mehrere Branchen erschlossen: Angefangen mit Unternehmen in der Automobilindustrie, folgte während der Covid-19-Pandemie die Metallverarbeitungsbranche. Zuletzt hat Tvarit sein Angebot erfolgreich auf weitere Bereiche der Prozessindustrie ausgeweitet, unter anderem auf die Milch- und Kakaoverarbeitung sowie auf die chemische Industrie. „Diese Diversifikation kommt direkt aus dem Markt heraus“, sagt Suhas. „Unsere Kernkompetenz liegt im Aluminiumguss, aber unsere Lösung gewinnt zunehmend auch in anderen Segmenten an Bedeutung. Das erlaubt es uns, nicht nur global, sondern auch branchenübergreifend zu skalieren.“ Mit Erfolg. Tvarit wächst, wie der Name prophezeit, schnell. Aktuell beschäftigt das Startup 40 Mitarbeitende, die zu gleichen Teilen an den Firmenstandorten in Deutschland und Indien tätig sind. „Unsere Vision ist eine effiziente, ressourcenschonende und nachhaltige Industrie. KI ist dafür ein entscheidender Hebel.“

Der erfahrene und erfolgreiche Gründer orientiert sein unternehmerisches Handeln an einer Philosophie, die er „business-orientierte Philanthropie“ nennt. Sein Rat an junge Gründerinnen und Gründer:

Verliebt euch nicht in eure Technologie, sondern in das Problem eurer Kunden. Macht es zu eurem eigenen, bis ihr es besser versteht als der Kunde selbst. Und dann setzt alles daran, es für ihn zu lösen.“

Industrie 4.0 – mit KI made in Hessen

Ob autonome Inspektionsroutinen in kritischen Infrastrukturen oder intelligente Prozessoptimierung in der Metall- und Prozessindustrie: Energy Robotics und Tvarit bringen skalierbare KI-Lösungen aus Hessen auf globalen Erfolgskurs. Daneben finden sich im Cluster „Robotics, Manufacturing & Engineering“, weitere spannende Startups, darunter Persival, Compredict, Core Sensing und Ceres FieldCheck. Ein Blick lohnt sich!


Diese KI- Landkarte ist eine Initiative des Projekts AI Startup Rising von dem Hessischen Zentrum für Künstliche Intelligenz (hessian.AI) und wird in Zusammenarbeit mit bmh, Starthub Hessen/ HTAI, STATION, AI Hub Frankfurt RheinMain, TechQuartier, Highest, Start2, StartMiUp, Science Park Kassel, EXIST, Futury sowie EDITH (weiter-) entwickelt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert.

Mehr dazu hier. Die Printansicht des Posters ist hier zum download verfügbar.


Über die Artikelreihe

Hier geht es zu weiteren Artikel aus der Artikelreihe „Hessens KI-Vorreiter“ und hier zu weiteren Artikeln mit dem Schwerpunkt Künstliche Intelligenz.

Die Artikelreihe „Hessens KI-Vorreiter“ zeigt, wie Startups mit KI-Innovationen frischen Wind in die verschiedensten Branchen bringen. Die Reihe orientiert sich am Branchencluster der AI Startup Landscape Hessen. Diese KI- Landkarte ist eine Initiative des Projekts AI Startup Rising von dem Hessischen Zentrum für Künstliche Intelligenz (hessian.AI) und wird in Zusammenarbeit mit bmh, Starthub Hessen / HTAI, STATION, AI Hub FFM, Tech Quartier, Highest, Start2, StartMiUp, Science Park Kassel, EXIST sowie EDITH (weiter-) entwickelt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert. Ansprechperson und Co-Autorin des ersten Artikels: karin.gessler@hessian.aiAI Startup Rising | hessian.ai

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