Hessens KI Vorreiter: KI-Startups weisen den Weg in die Zukunft des Gesundheitswesens
Hessens KI Vorreiter

In Zusammenarbeit mit AI Startup Rising | hessian.AI und EDITH stellen wir jeden Monat spannende KI-Startups aus Hessen vor. Grundlage für diese Artikelreihe bildet die 2024 erstmals veröffentlichte, nach Branchen geclusterte „AI Startup Landscape Hessen“. In diesem Artikel steht die Gesundheitsbranche im Mittelpunkt: Anhand einer fiktiven Patientenreise zeigen wir auf, wie junge Unternehmen aus Hessen mit ihren KI-Lösungen das Gesundheitswesen revolutionieren. Fünf der insgesamt 13 Startups aus dem Healthcare-Cluster der AI Startup Landscape Hessen stehen dabei im Fokus: Veli, MySympto, Prof. Valmed, FitωHit und Arzt Lena. So unterschiedlich die Ansätze dieser Startups sind, verfolgen sie alle ein gemeinsames Ziel: Der Einsatz ihrer KI-basierten Technologien dient der Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen, der Entlastung von medizinischem Fachpersonal und letztlich dem Wohl der Patient:innen.

Die Patienten-Journey der Barbara W.

Barbara W. ist 80 Jahre alt. Seit dem Tod ihres Mannes vor einem Jahr lebt sie allein in ihrem Einfamilienhaus in einem Vorort von Kassel. Barbara ist körperlich und geistig fit, allerdings leidet sie seit einigen Jahren an einer fortschreitenden Hüftarthrose in der linken Hüfte und in letzter Zeit sporadisch an Schwindelanfällen. Da es ihr wichtig ist, bis ins hohe Alter selbstbestimmt im eigenen Zuhause leben zu können, hat sie einige Vorkehrungen getroffen, um ihr Haus altersgerecht auszustatten und auf Notfälle vorbereitet zu sein.

Veli – Der smarte Hausnotruf für Haushalte

Eines nachts passiert es: Barbara erwacht und steht auf, um sich ein Glas Wasser zu holen. Als sie in der Küche an der Spüle steht, um ihr Glas mit Leitungswasser zu füllen, wird ihr schwindelig und sie stürzt zu Boden. Der Schwindel hält an und ihr linkes Bein schmerzt so sehr, dass sie sich nicht bewegen kann. Der Notfallknopf für den Hausnotruf ist im Schlafzimmer und somit untereichbar. Doch zum Glück hat Barbara ihren Haushalt erst kürzlich mit der innovativen KI-Lösung des Kassler Startups Veli ausgestattet: Die von Veli entwickelte KI analysiert die Verbrauchsdaten von Strom und Wasser in Barbaras Haushalt rund um die Uhr. Wenn anhand dieser Daten über einen bestimmten Zeitraum hinweg ungewöhnliche Aktivitäten erkennbar sind, schlägt das System automatisch Alarm. „Es geht nicht darum, spezifische Aktivitäten zu überwachen, sondern um die Reaktion auf signifikante Abweichungen vom normalen Verhalten“, erklärt Co-Gründer und CEO Jan-Peter Seevers. Das Tool verwendet ohnehin vorhandene Daten und erfordert weder zusätzliche Technik noch Personal. In Barbaras Fall erkennt das System einen ungewöhnlichen Wasserverbrauch durch den laufenden Wasserhahn mitten in der Nacht und setzt automatisch einen Notruf an die Hausnotrufzentrale ab, die nach Prüfung der Situation den Rettungsdienst verständigt.

MySympto – Die Diagnosehilfe in der Notaufnahme

Der Rettungsdienst bringt Barbara in die Notaufnahme des nächstgelegenen Krankenhauses. Hier wird sie von einem jungen Assistenzarzt untersucht, der von der datengetriebenen Software-Lösung des Startups MySympto unterstützt wird. Das KI-System berechnet anhand von Barbaras Symptomen und Vorerkrankungen, die bei Ankunft in der Notaufnahme aufgenommen worden sind, wahrscheinliche Diagnosen. Der Arzt erhält Schritt für Schritt Diagnose- und Behandlungsempfehlungen, die auf aktuellen medizinischen Leitlinien basieren. „Das Tool kann anhand der eingehenden Daten dem behandelnden Arzt sofort relevante Handlungsvorschläge machen, um Diagnosen zu bestätigen oder auszuschließen. Die Entscheidungsfindung wird dadurch beschleunigt, die Quote der Fehldiagnosen sinkt nachweisbar. So wird die Behandlungsqualität in der Notaufnahme enorm gesteigert,“ erklärt Nils Bergmann, einer der drei Co-Gründer von MySympto. „Besonders wertvoll ist MySympto für junge Assistenzärzte, die häufig in Notaufnahmen tätig und nicht selten überfordert sind,“ ergänzt sein Mitgründer Elias Hofmann. Die beiden kennen sich aus ihrem Studium an der Technischen Universität Darmstadt, wo auch die Idee zu MySympto entstanden ist. Das junge Startup, das bereits durch verschiedene Startup-Programme des Landes Hessen wie dem Hessen Ideen Stipendium gefördert worden ist und sich zurzeit im Zertifizierungsprozess seines KI-Tools als Medizinprodukt befindet, hat zudem ein datengetriebenes Qualitätsmanagement-Tool entwickelt, welches die Ärzte bei der korrekten Dokumentation der Behandlung unterstützt: Das Tool überprüft den Behandlungsprozess retrospektiv auf die leitlinienkonforme Behandlung und erstellt bei Bedarf automatisch Korrekturvorschläge für die Arzt- und Entlassbriefe. Es verbessert so nicht nur den Dokumentationsprozess, sondern gewährt auch die korrekte Abrechnung der Behandlung.

Prof. Valmed – Der medizinische Co-Pilot

Barbara muss für weitere Untersuchungen im Krankenhaus bleiben. Ihre Hüfte wird geröntgt. Eine akute Fraktur liegt nicht vor, allerdings wird schnell klar, dass Barbara um ein künstliches Hüftgelenk nicht umhinkommen wird. Die Hüftoperation soll so schnell wie möglich erfolgen. Zudem wird die Ursache für ihre Schwindelanfälle untersucht. Bei den Untersuchungen kommt die KI-Lösung eines weiteren hessischen Startups ins Spiel, die nicht nur Ärzt:innen in der Notaufnahme, sondern über sämtliche Fachbereiche hinweg unterstützt: Prof. Valmed bietet Health Care Professionals (HCPs) einen digitalen Co-Piloten für Diagnose- und Therapieentscheidungen. „Ziel ist es, die Effizienz und Transparenz in der medizinischen Versorgung zu verbessern. Unsere generative KI greift auf eine umfassende validierte medizinische Datenbank zurück, um akkurate, relevante und neutrale Handlungsempfehlungen zu geben. Die nutzerfreundliche App liefert nicht nur fundierte, leitlinienkonforme Empfehlungen, sondern auch die entsprechenden Quellen, auf welche sich diese Empfehlungen stützen,“ erklärt Co-Gründerin und CEO Dr. Vera Rödel, die Prof. Valmed zusammen mit Professor Heinz Wiendl gegründet hat. Die Juristin mit einem Master in Health and Management kombiniert ihre langjährige Erfahrung im Medizinrecht mit einer großen Leidenschaft für die digitale Transformation. „Ich bin überzeugt davon, dass der Einsatz von KI im Gesundheitswesen immer wichtiger werden wird. Es ist letztlich auch eine ethische Frage. Die Medizin entwickelt sich immens schnell weiter, täglich kommen neue Erkenntnisse hinzu und es ist enorm schwer, den Überblick zu behalten. Wie kann ich da als Arzt auf ein Tool wie Prof. Valmed verzichten, wenn ich die Patient:innen bestmöglich behandeln möchte?“ Um ein Grundverständnis und das Vertrauen in die Nutzung ihrer KI-Plattform bei den Anwender:innen zu schaffen, hat das Startup zudem die Valmed A(I)cademy gegründet, die in Zusammenarbeit mit renommierten Ärzt:innen und Expert:innen Online-Schulungen anbietet und zusammen mit der KI-Plattform und einem Consulting-Angebot das Valmed-Universum bildet. Vera Rödel erwartet, dass Prof. Valmed im November die CE-Zertifizierung als Medizinprodukt erhält – ein entscheidender Meilenstein für das innovative Startup.

FitωHit – Perfekte Prothesenanpassung dank Akustik-KI

Mit Unterstützung von Prof. Valmed kann der behandelnde Arzt die Ursache von Barbaras Schwindelanfällen ermitteln und sie gezielt medikamentös behandeln. Einige Wochen nach dem Sturz steht Barbaras Hüftoperation an, eine der häufigsten Standard-OPs in Deutschland, die jährlich über 250.000 Mal durchgeführt wird. Dabei kommt es regelmäßig zu Komplikationen, die Wechseloperationen notwendig machen. Etwa 18.000 dieser Revisions-OPs werden pro Jahr durchgeführt. Das wiederum kostet das Gesundheitssystem rund 200 Millionen Euro, bindet die Kapazitäten von Chirurg:innen, die sie für die Durchführung von Erst-OPs dringend benötigen und wirkt sich negativ auf die Reputation der Ärzt:innen und Kliniken aus. Mit seiner KI-basierten akustischen Implantationshilfe hat das Gießener Startup FitωHit eine innovative Lösung entwickelt, um Hüftoperationen zu optimieren und Revisions-OPs zu vermeiden. Beim Einsetzten einer Hüftprothese wird diese durch Hammerschläge („Hits“) im Oberschenkel verankert („Fit“). Erfahrene Chirurg:innen erkennen am Geräusch der Hammerschläge, wann die Prothese optimal sitzt. Co-Gründer Simon Schreynemackers erklärt: „Bei der OP müssen sich die Chirurg:innen auf ihr Gehör verlassen. Unsere KI hilft ihnen dabei, indem sie Schläge in Echtzeit akustisch analysiert und ihnen signalisiert, wann das Implantat perfekt sitzt. Dadurch können Verletzungen aufgrund von übermäßigen Hammerschlägen verhindert und Fehlanpassungen reduziert werden.“ Die Idee zu FitωHit ist im Labor für Biomechanik der Justus-Liebig-Universität in Gießen entstanden, wo Simons Co-Gründer Carlos Fonseca tätig ist: „Ein Oberarzt erzählte uns von der Bedeutung akustische Signale bei Hüft-OPs. So entstand FitωHit als Forschungsprojekt innerhalb der Universität,“ erklärt Simon. FitωHit befindet sich derzeit in der Forschungs- und Entwicklungsphase und sucht nach Kooperationen mit Krankenhäusern, um ihr KI-Tool weiterzuentwickeln. „Wir benötigen eine robuste Datengrundlage, um klinische Studien durchführen und unser Produkt validieren zu können. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die Zulassung unserer Software als Medizinprodukt.“  Zudem sind die Gründer auf der Suche nach einem Co-Founder mit betriebswirtschaftlicher Expertise, um den Erfolg ihres Startups voranzutreiben.

Arzt Lena – Effiziente Terminverwaltung mithilfe eines Telefon-Chatbots

Acht Tage nach der erfolgreichen Hüft-OP wird Barbara entlassen und muss kurz darauf zur Nachsorge zu ihrem Hausarzt. Beim Anruf in der Praxis stellt sie mit Freude fest, dass sie nicht, wie gewohnt, minutenlang in der Warteschleife des Telefons hängt, sondern direkt mit einer freundlichen Stimme verbunden wird, mit der sie innerhalb weniger Minuten einen Termin vereinbart. Die Stimme gehört einem intelligenten Telefonassistenten, der von Arzt Lena, einem  jungen Startup aus Hofheim, entwickelt worden ist. Arzt Lena hat sich auf die smarte Terminverwaltung von Arztpraxen spezialisiert. „Wir wollten ein System schaffen, das den Patient:innen den Stress bei der Terminvereinbarung nimmt und gleichzeitig die Arztpraxen entlastet,“ so Gründer Max van Bentum. Max gehört zu den jüngsten Gründer:innen Hessens, er hat dieses Jahr Abitur gemacht und gerade sein Management and Technology-Studium an der Technischen Universität München (TUM) begonnen. Arzt Lena hat er bereits während der Schulzeit gegründet. „Viele Arztpraxen sind überlastet, was nicht zuletzt auf den Fachkräftemangel zurückzuführen ist,“ erklärt Max. Medizinische Fachangestellte (MFA) verbringen im Durchschnitt 40 % ihrer Zeit am Telefon, den Großteil davon zur Terminvereinbarung. Zeit, die sie für die Betreuung von Patient:innen vor Ort sowie administrativen Aufgaben wie der Rezepterstellung benötigen. Auf der anderen Seite hat eine Umfrage unter Patient:innen ergeben, dass 80 % der Befragten einen Arttermin lieber telefonisch als online zu buchen. „Die meisten Patient:innen gehören einer Generation an, die mit dem Umgang von Online-Tools nicht vertraut ist. Viele stoßen jedoch bei dem Versuch, ihre Arztpraxis telefonisch zu erreichen, auf lange Wartezeiten oder kommen erst gar nicht durch, da die Telefonleitung permanent besetzt ist.“ Arzt Lena hat einen KI-Bot entwickelt, der telefonische Anfragen autonom abwickeln kann. Erst bei komplizierten Anfragen leitet die KI den Anruf an eine menschliche MFA weiter. Für Barbara bedeutet dies, dass sie beim Anrufen ihres Hausarztes nicht mehr lange in einer Telefonwarteschleife hängt, sondern ihren Termin in nur wenigen Minuten buchen kann. Das Tool schickt ihr zudem eine Bestätigung per SMS und erinnert sie automatisch an den Termin.
Im nächsten Schritt plant das Team von Arzt Lena, Partnerschaften mit Anbietern von Arztpraxis-Software zu schließen, um die Integration von Arzt Lena in bestehende Praxis-Systeme zu erleichtern. Aktuell sucht Gründer Max van Bentum außerdem nach einem Co-Gründer mit medizinischem Hintergrund, der das Team um Arzt Lena mit medizinischem Fachwissen verstärkt.

Die Patienten-Journey von Barbara W. zeigt: Künstliche Intelligenz wird in vielen Bereichen der Gesundheitsbranche künftig Anwendung finden und zu einer verbesserten Gesundheitsversorgung beitragen. Hessische KI-Startups wie Veli, MySympto, Prof. Valmed, FitωHit und Arzt Lena weisen den Weg in diese Zukunft. Wer weitere KI-Startups aus der Healthcare-Branche kennenlernen möchte, findet in der AI Startup Landscape Hessen 2024 einen umfassenden Überblick.

Diese KI- Landkarte ist eine Initiative des Projekts AI Startup Rising von dem Hessischen Zentrum für Künstliche Intelligenz (hessian.AI) und wird in Zusammenarbeit mit bmh, Starthub Hessen/ HTAI, STATION, AI Hub Frankfurt RheinMain, TechQuartier, Highest, Start2, StartMiUp, Science Park Kassel, EXIST sowie EDITH (weiter-) entwickelt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert.

Mehr dazu hier. Die Printansicht des Posters ist hier zum download verfügbar.

Über die Artikelreihe

Hier geht es zu weiteren Artikel aus der Artikelreihe „Hessens KI-Vorreiter“ und hier zu weiteren Artikeln mit dem Schwerpunkt Künstliche Intelligenz.

Die Artikelreihe „Hessens KI-Vorreiter“ zeigt, wie Startups mit KI-Innovationen frischen Wind in die verschiedensten Branchen bringen. Der nächste Artikel wird den Fokus auf KI- Anwendungen im Health-Care Sektor legen. Die Reihe orientiert sich am Branchencluster der AI Startup Landscape Hessen. Diese KI- Landkarte ist eine Initiative des Projekts AI Startup Rising von dem Hessischen Zentrum für Künstliche Intelligenz (hessian.AI) und wird in Zusammenarbeit mit bmh, Starthub Hessen / HTAI, STATION, AI Hub FFM, Tech Quartier, Highest, Start2, StartMiUp, Science Park Kassel, EXIST sowie EDITH (weiter-) entwickelt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert. Ansprechperson und Co-Autorin des ersten Artikels: karin.gessler@hessian.ai, AI Startup Rising | hessian.ai

Sunday Briefing - Dein kostenloser Newsletter aus dem Startup- und Innovations-Ökosystem FrankfurtRheinMain direkt ins Postfach.

Sunday Briefing - Der kostenlose Newsletter für Startups und Innovation in FrankfurtRheinMain.