Ewigkeit aus dem Labor – Veynou bietet künstliche Diamanten
Das Gründer-Team Trio Cem Dogan (links), Philip Deml (mitte), Paulina Kurka (rechts)

„Diamonds are a girl’s best friend”, sang Marylin Monroe. Seitdem hat sich die Gesellschaft verändert, Diamanten sind nicht mehr nur etwas für Frauen, und statt nur schön zu funkeln sollen sie nachhaltig und fair sein. Darauf setzt das Schmuck-Label VEYNOU – mit laborgeschaffenen Diamanten und recyceltem Gold.

Philip Deml, einer der der Gründer von VEYNOU, erzählt breit lächelnd und gerne, wie VEYNOU entstand. Denn es ist nicht nur die Geschichte seines Startups, sondern auch die seiner Beziehung: 2019 denkt er zum ersten Mal darüber nach, seiner Freundin Paulina Kurka, später Mitgründerin von VEYNOU, einen Heiratsantrag zu machen. Nur: Die Suche nach einem Ring gestaltet sich als schwierig. Denn Diamanten sind in Verruf geraten: schlechte Arbeitsbedingungen, Umweltschäden, Finanzierung von Terror und Bürgerkrieg.  Attribute, die so gar nicht zur ewigen Liebe passen.

Aus Methan und Wasser entsteht ein Diamant

Bei seiner Suche nach Alternativen stößt er auf laborgezüchtete Diamanten. Sie sind nicht zu verwechseln mit geschliffenem Glas, Zirkonia oder Mossanit – Schmucksteine, die das Aussehen des Diamanten imitieren, ihm aber stofflich und in seinen Eigenschaften nicht entsprechen. „Es gibt da keinen Unterschied“, betont Deml, „der Prozess unter der Erde mit hohen Temperaturen und hohem Druck wird im Labor nachgestellt.“ Um Diamanten zu züchten, gibt es zwei chemische Verfahren, erklärt Dr. Christoph Nebel, der lange für das Fraunhofer Institut zu laborgeschaffenen Diamanten geforscht hat. Das eine, die chemische Gasphasenabscheidung, würde heute häufiger angewendet, erklärt er. Dafür werden Methan und Wasserstoff in einem chemischen Reaktor aktiviert, und bilden dann an einem sogenannten Impfkristall, also einem sehr kleinen Diamanten, einen neuen Diamanten. Dafür benötigt man eine Temperatur von etwa 900 Grad und hohen Druck. Das Verfahren sei günstiger und besser kontrollierbar als Methode Zwei – Kohlenstoff bei Hitze unter sehr hohen Druck zu setzen – und deswegen zukunftsträchtiger.

Auch die beiden größten Institute für Edelsteinzertifizierung – GIA und IGI – können zwischen laborgeschaffenen und geminten Diamanten nicht unterscheiden. Sie bewerten Diamanten nach den vier C-Kriterien: Colour (Farbe), Clarity (Reinheit), Carat (Karatzahl) und Cut (Schliff). Je farbloser, reiner – also frei von Einschlüssen – und größer der Diamant ist, desto mehr ist er wert. Auch aus dem Labor sind alle Diamanten einzigartig. „Man kann nicht einfach einen Knopf drücken und sagen: Ich will diese Farbe, diese Reinheit und diese Karatzahl“, erklärt Deml. Auch unter Laborbedingungen handelt es sich letztlich um einen natürlichen Prozess. Wie gut die Qualität der Diamanten ist, sei auch eine Geldfrage, sagt Nebel. Produziere man sehr schnell, also günstiger, könne der Diamant zum Beispiel eher bräunlich werden. Die „Color“-Bewertung ist dann schlechter. Durch die Zugabe verschiedener Stoffe während der Entstehung können außerdem sogenannte „Fancy Diamanten“ produziert werden. Diese sind farbig, oft pastellgelb oder hellblau, in der Natur sehr selten zu finden, und dementsprechend teuer. „Da haben wir noch einiges in der Pipeline“, so Deml. Vorerst konzentriere man sich aber auf die bestehende Kollektion mit farblosen Diamanten und Smaragden.

VEYNOU will Schönes und Nachhaltigkeit vereinen

„Brauchen wir in 100 Jahren noch natürliche Diamanten?“ – fragen die Gründer:innen von VEYNOU und beantworten die Frage gleich selbst: Nein. „Wir wollen die ansprechen, die umweltfreundlicher leben wollen“, bestätigt Cem Dogan, der Dritte im Bund. Zum einen müssten die Diamanten nicht aus der Erde geholt werden, dafür würden schon mal 250 Tonnen Boden ausgehoben werden. Zum anderen fielen viele ethische Probleme weg: Die meisten Diamanten sind heute nach dem Kimberley-Prozess zertifiziert. Das bedeutet, dass die Länder, in denen der Stein gemint wurde, garantieren, dass deren Erlös nicht für die Finanzierung von Kriegen und Terrorakten verwendet wurde. Kritiker sagen: Bringt kaum etwas. Bei einem Labordiamanten ist die Sache klarer.

Bleibt ein Problem: Nur unter hohem Druck und hohen Temperaturen wächst ein Diamant. Dafür braucht man viel Energie. Sinnvoll ist es daher, Diamanten dort herzustellen, wo die Energieversorgung günstig ist, sagt Nebel. Im Idealfall sei das in Ländern wie Norwegen oder Island, wo nachhaltige Wasserkraft breit vorhanden und günstig ist. Aber auch Kohlestrom kann günstig sein, vor allem dann, wenn er mit wenig Umweltauflagen produziert wird. Ihre Diamanten kaufen sie weltweit ein, erzählt Deml, genauso wie das Recyclinggold. Die Schmuckstücke werden dann in der traditionellen Schmuckstadt Pforzheim hergestellt. „Wir achten darauf, dass möglichst alle Produktionsstätten, von denen wir Diamanten kaufen, auf erneuerbaren Energien laufen, können das aber noch nicht garantieren“, gibt er zu. Nur noch Diamanten zu verwenden, die mit 100% Naturstrom gewonnen werden, sei aber das Ziel für die Zukunft. Diamanten könnten sogar positiv zum Klima beitragen, sagt Nebel. Für deren Herstellung könne man CO2 aus der Atmosphäre entnehmen, wie die US-amerikanische Firma Aether Diamonds. Sie gibt an, CO2 aus sogenannten Luftkollektoren zu entnehmen, die dann zu Kohlenstoff, dem Rohmaterial von Diamanten, synthetisiert werden. Der Standard sei das aber bisher nicht.

Positionierung als Luxusgut

Labordiamanten sind berechenbarer. Das Risiko, Tonnen an Erde zu wälzen, und doch nichts zu finden, besteht schonmal nicht. Außerdem ist die Lieferkette überschaubarer: „Es gibt den Produzenten, die Schleiferei – und dann kommen wir“, erzählt Dogan. Normalerweise seien zwischen Mine und Kund:innen mehr Zwischenhändler vorhanden. Diese Faktoren machen laborgeschaffene Diamanten etwas günstiger als Natürliche. VEYNOU positioniert sich trotzdem als Luxusgut. Man habe sich bewusst für 14 und 18-karätiges, recyceltes Gold, entschieden. Gold mit 9 Karat verwenden sie nicht: „Wir wollen so eine Distanz zu Modeschmuck schaffen“, sagen die Gründer:innen. Denn bei 9-karätigem Gold beträgt der tatsächliche Goldanteil lediglich 37,5 Prozent, der Rest ist Kupfer und Silber. Ihren Premium-Anspruch verdeutlichen sie mit dem Gaia-Collier. Sein Herzstück sei der weltweit größte laborgeschaffene Diamant – 8,5 Karat. Das gesamte Collier kommt auf 11,2 Karat. Den Preis gibt’s auf Anfrage.

Dass sie ein gutes Team sind, haben Dogan und Deml bereits bei ihrem ersten Startup, Flapgrip, bewiesen. Damals hatten sie in der Höhle der Löwen überzeugt und einen Deal mit Investor Ralf Dümmel bekommen. Die Finanzierung von VEYNOU haben sie erstmal alleine gestemmt, der Produzent ihres Schmucks sitzt als Gesellschafter im Boot. Kennengelernt haben sich Dogan und Deml vor 2 Jahren über einen Aufruf Demls auf Instagram: Wer Lust habe, nach Mallorca zu fliegen und dort mit ihm Content zu produzieren, solle sich melden. Dogan meldete sich. Seitdem haben die beiden Flapgrip gemeinsam ertüftelt, VEYNOU zu dritt. „Wir haben keine klare Trennung, machen gemeinsam alles“, sagt Deml über sich und Dogan. Kurka fungiert bei VEYNOU als Creative Director.

“Das ist immer noch Prestige”

„Paulina und ich sind beide Influencer“, erzählt Deml. Klassischer Paid Content auf Instagram sei also natürlicherweise ein Marketingelement bei VEYNOU. Man wolle sich aber nicht nur auf Instagram beschränken, Pinterest und langfristig auch TikTok seien perspektivisch sehr wichtig. Aber auch Print bleibe ein Thema, denn: „Das ist immer noch Prestige“. Man wolle aber auch beim Marketing „out of the box“ denken, erklärt Dogan: Man müsse die Kund:innen dort erreichen, wo sie sind – offline und online. „Wir haben ein Konzept in der Schublade, wie wir uns Retail vorstellen“. Viel verraten wird noch nicht, aber es soll anders werden als das klassische Tiffany oder Cartier. Bis dahin wolle er VEYNOU noch mehr in die Offline-Welt holen: etwa bei einem Brunch, wo Interessierte die Produkte kennenlernen können. Man sehe sich aber auch beispielsweise bei der Formel E – eben da, wo man Luxus und Nachhaltigkeit als vereinbar sehe.

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