Er hat als erster Europäer einen Tesla besessen und ein kontroverses Buch geschrieben. Sein Startup WiWin hat vor kurzem in Rekordzeit 3.000.000 Euro für die nachhaltige Tomorrow-Bank eingesammelt. Matthias Willenbacher ist erfolgreicher Unternehmer und von Nachhaltigkeit überzeugt. Was ihn motiviert und was er als „Bundeskanzlerin“ gerne umsetzen würde, erfahrt ihr im Porträt.
„Von außen betrachtet bin ich ein klassischer Workaholic. Aber weil ich das tun kann, was mir Spaß macht, fühlt es sich nicht so an“, sagt Willenbacher. Was ihm Spaß macht: Nachhaltigkeit, vor allem im Bereich Energie.
Mit Mitte 20 wollte er noch Sport- und Mathelehrer werden, bis er in der Zeitung einen Artikel über Windkrafträder liest. Wie einfach man damit Strom produzieren kann, fasziniert ihn, und damit ist eine so gar nicht windige Idee geboren: „Ich wollte unbedingt ein Windrad aufstellen“, erklärt er lachend.
Angefangen hat es auf dem Bauernhof seiner Eltern
Auf dem Bauernhof seiner Eltern ist genug Platz, das Grundstück damit schon gefunden. Manche halten ihn für verrückt, doch die örtliche Raiffeisen-Bank glaubt an seine Idee, finanziert die damals etwa 650.000 DM für den Bau. Familie und Freunde helfen beim Baggern, beim Anschluss an das Stromnetz und dem Bau der Zufahrtsstraße. Von der Idee bis zum aufgestellten Windrad vergehen gerade einmal neun Monate, aus einem Windrad werden schnell über 1000. Und aus einer fixen Idee wird Willenbachers Berufung.
Seinen Weg geht er konsequent weiter: Mit einem Partner gründet er juwi. Das Unternehmen baut und betreibt Solar- und Windparks. Bis 2013 bricht das Unternehmen immer wieder seinen eigenen Rekord, stellt mehr als 2.200 Anlagen auf.
Willenbacher wird frecher, will mehr Einfluss nehmen auf die Gesellschaft und Politik. Also macht er Angela Merkel ein Angebot — ein unmoralisches, wie er selbst proklamiert.
In seinem Buch Mein unmoralisches Angebot an die Kanzlerin skizziert er nicht nur seinen Plan für die Energiewende, sondern lockt auch mit Geschenken: Sollte die Kanzlerin bis 2020 die Energiewende durchsetzen, dann werde er seine Anteile an juwi an die damals 500 Bürgerenergiegenossenschaften Deutschlands verschenken.
Doch dazu kommt es nicht. Im Jahr der Buchveröffentlichung, 2013, rutscht juwi tief in die roten Zahlen, und bleibt dort auch 2014. Schließlich übernehmen die Mannheimer Stadtwerke MVV den angeschlagenen Konzern. Kurze Zeit später scheidet Willenbacher aus dem Unternehmen aus. Kein Grund aufzugeben für den gebürtigen Nordpfälzer. Bereits 2011 hatte er das Startup WiWin gegründet, mit der Absicht, Bürger stärker an der Energiewende zu beteiligen.
Verantwortung für den Kampf gegen den Klimawandel sieht Willenbacher aber nicht nur bei den Bürgern, sondern vor allem in der Politik und Wirtschaft. Dafür hat er ein paar unkonventionelle Ideen in petto. „Wenn ich Bundeskanzlerin wäre — an einen Mann als Kanzler kann ich mich fast nicht mehr erinnern“, witzelt er, „würde ich große Einzelhändler verpflichten, ihre Parkplätze mit E-Ladesäulen auszurüsten.“ Wer viel verdiene, müsse auch etwas leisten, etwas zurückgeben, ist er überzeugt.
Für mehr staatliches Engagement
Es ist für einen Unternehmer ungewöhnlich, mehr staatliches Engagement, mehr Gesetze und Regeln zu fordern. Doch Willenbacher hat einen guten Grund: „Die Marktwirtschaft schafft es oft nicht, Dingen den richtigen Preis zuzuweisen. Zum Beispiel der Natur wird oft kein Wert beigemessen.“ Umweltschäden gingen so nicht in die Preisbildung, zum Beispiel von konventionellem Strom, ein. Regeln aufzustellen, sei daher notwendig, erklärt er bestimmt.
Zum Beispiel bei der Emission von CO2. Der Emissionshandel? Im Prinzip gescheitert, ist er sich sicher, zu viele Zertifikate am Markt, die Preise dafür viel zu billig: „Das ist wie wenn ein Bäcker Brötchen verkaufen will, der Staat aber gleichzeitig welche verschenkt.“ Das Konzept sei eher ein Showeffekt als eine effektive Maßnahme, resümiert er.
Wie auch bei Veröffentlichung seines Buches vor acht Jahren scheut er sich nicht seine Meinung zu äußern, auch wenn sie manchmal auf wenig Gegenliebe stößt. „Sein E-Auto mit Solarstrom vom eigenen Dach zu laden und sich von Gemüse aus dem Garten zu ernähren, wäre eine Katastrophe für Großkonzerne und Lobbyisten“, meint er verschmitzt.
Gegen deren Macht wolle er ankämpfen, unter anderem mit seiner 100 Prozent erneuerbar Stiftung und WiVenture, einer von ihm gegründeten Investmentgesellschaft, die nachhaltige Startups unterstützt. Zu seinem Portfolio gehören zum Beispiel Einhundert Energie, das Mieterstrom anbietet, aber auch Frischepost, ein Lieferservice für regionale Lebensmittel, oder die nachhaltige Tomorrowbank.
Es soll noch weitegehen mit WiWin
In die Tomorrowbank konnte man vor Kurzem auch über WiWin investieren. Über die Onlineplattform für nachhaltige Investments kamen in 300 Minuten 3.000.000 Euro zusammen. Rekordzeit, freut sich Willenbacher.
Nicht nur, weil sein Geschäft so gut läuft, sondern auch aus Liebe zur Umwelt. „Wenn eine gewisse Menge Menschen bei WiWin investieren, stoßen wir gemeinsam viele wichtige Projekte an.“
Die Zeichen stehen gut, doch zufrieden ist er noch lange nicht: „Wir müssen radikal Dinge verändern. Aber ich gebe die Hoffnung nie auf. Eine nachhaltige Welt ist möglich.“