STRAFFR aus Kassel ist eines der insgesamt 44 jungen hessischen Unternehmen, die das Halbfinale des Hessischen Gründerpreises erreicht haben. Es steht in vielerlei Hinsicht sinnbildlich für den diesjährigen Wettbewerb, beginnend bei der Herkunft aus Kassel. Die nordhessische Metropole ist dieses Jahr Regionalpartner des Hessischen Gründerpreises, dort wird er am 27. November unter anderem vom Hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir verliehen. Bei der Kasseler Sparkasse tagte vergangenen Donnerstag die Jury, die aus den 155 eingegangenen Bewerbungen die 44 vielversprechendsten heraussuchte.
STRAFFR produziert Fitnessbänder, die mittels IT-Technik intelligente Trainingssteuerung ermöglichen. Das junge Unternehmen steht damit stellvertretend für den hohen Anteil von Unternehmensgründungen mit medizinischem Bezug, die in diesem Jahr im Wettbewerb vertreten sind. Dazu zählen beispielsweise die mobile Praxis Physiotruck aus Westhessen und die kühlenden Ohrclips von Andelie aus Osthessen, mit denen Frauen Hitzewallungen während ihrer Menopause lindern können. Das intelligente Fitnessband zeigt aber noch einen zweiten Trend: Viele Geschäftsmodelle aus dem IT-Bereich sind dieses Jahr mit Produkten am Start, die sich smart und unauffällig in unseren Alltag einfügen. So wie Connfair aus Darmstadt, deren digitale Besucherstromlenkung und Einlasskontrolle gerade in Corona-Zeiten Supermärkte, Schwimmbäder, Restaurants und den Einzelhandel sicherer machen.
Die 155 Bewerber und Bewerberinnen um den Hessischen Gründerpreis stellen den dritten Teilnehmerrekord in Folge dar. „Vor allem aus den hessischen Hochschulen sind sehr viele und auch sehr starke Bewerbungen eingegangen“, erläutert Projektleiterin Elisabeth Neumann, „so dass uns die Auswahl hier wirklich schwer fiel. Das zeigt, welch großes Potenzial hessische Hochschulen für die Erneuerung und Verjüngung der hessischen Wirtschaft haben.“ Ein Ergebnis des kürzlich veröffentlichten Global Entrepreneurship Monitor ist, dass mehr als 90 Prozent der Unternehmensgründungen regionale Bezüge haben, zunächst vornehmlich mit regionalen Kundinnen und Kunden beginnen und bei Gründung ihre Erfolgschancen zuerst auf ihrem regionalen Markt testen. „Das bestätigt den seit Jahren wachsenden Zuspruch, den der regional ausgerichtete Hessische Gründerpreis hat. Auch deshalb war es die richtige Entscheidung, den Wettbewerb trotz Corona nicht abzusagen und mit hybriden Veranstaltungskonzepten auf die besondere Situation zu reagieren“, findet Elisabeth Neumann. Von den 48 Halbfinalisten kommen jeweils elf aus dem Rhein-Main-Gebiet und aus Südhessen, den beiden seit Jahren aktivsten Gründerregionen im Wettbewerb. Mit jeweils acht Gründungen im Halbfinale liegen Nord- und Mittelhessen auf Platz zwei, gefolgt von Osthessen (4) und dem Westen (2). Die 155 Unternehmen beschäftigen zusammen 939 Menschen, davon 500 in Vollzeit, 254 in Teilzeit, 153 freiberuflich und 32 Auszubildende.
Auffällig häufig haben sich die hessischen Studentinnen und Studenten, aber auch Startups ohne universitären Hintergrund, in diesem Jahr Bildungsthemen zugewandt und bearbeiten diese on- wie offline. Ebenfalls auffällig: Der Fachkräftemangel schlägt sich offenbar in Geschäftsideen nieder, es gab einige Gründungen im Wettbewerb, die sich Recruiting-Themen angenommen haben. Mehrere Matching-Plattformen für bestimmte Berufe, Branchen oder auch für die Vermittlung ausländischer Fachkräfte haben sich beworben. Der jüngste #hgp20-Bewerber geht sogar noch in die Schule und ist erst 15 Jahre alt. Der große Ansturm junger Bewerberinnen und Bewerber hat den Initiativkreis, der den Hessischen Gründerpreis seit 2003 auslobt, dazu veranlasst, bei der Verleihung einen Sonderpreis zu vergeben – dessen Träger aber bis dahin geheim bleibt.
Ein kleiner Wermutstropfen ist die erst im vorigen Jahr eingeführte Kategorie „Zukunftsfähige Nachfolge“, für die lediglich acht Bewerbungen eingegangen sind. Das Thema Unternehmensnachfolge ist in Hessen wie auch bundesweit von hoher Relevanz. Viele Unternehmen stehen vor einer ungelösten Nachfolgeproblematik und diese Situation birgt immer das Risiko, dass Unternehmen schließen und Arbeitsplätze verloren gehen. „Sich mit seiner Nachfolgethematik nach außen zu wagen fällt vielen Unternehmern und Unternehmerinnen schwer. Deshalb haben wir diese Kategorie 2019 eingeführt und machen am 28. Oktober wieder eine Veranstaltung dazu“, sagt Elisabeth Neumann. „Denn Nachfolger sind auch Gründer.“ Alle acht Halbfinalisten dieser Kategorie kommen aus dem Handwerk oder der Gastronomie. Schließlich gibt es auf Basis der eingegangenen Bewerbungen noch einen Trend: In der Kategorie „Gesellschaftliche Wirkung“, 2019 klar von Gründungen mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit dominiert, finden sich heuer neben Themen wie Müllvermeidung (z.B: waschbare Abschminkpads) oder Ökolandbau (z.B: vertikalen Öko-Stadtfarmen) auch viele soziale Themen. Wie zum Beispiel die tiergestützte Therapieeinrichtung VertrauTier aus Nordhessen oder Care for the One, ein Kümmercafé aus Weilburg.
Der Wettbewerb
Aus allen Bewerbungen erreichen zwölf Unternehmen je Kategorie (Innovative Geschäftsidee“, „Zukunftsfähige Nachfolge“, „Gesellschaftliche Wirkung“ sowie „Gründungen aus der Hochschule“) das Halbfinale. Die Halbfinalisten pitchen vor einer Jury, die je Kategorie drei, insgesamt zwölf Finalisten auswählt. Diese treten am 27. November mit Messeständen und kurzen Pitches gegeneinander an und werden im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung am Abend ausgezeichnet – unter anderem vom Hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir persönlich. Gewinnen können Teilnehmer einen professionellen Unternehmensfilm, mediale Aufmerksamkeit, hochwertige Netzwerkkontakte und wertvolle Trainings.
Über den Hessischen Gründerpreis
Der Hessische Gründerpreis wird seit 2003 verliehen. 2002 von der KIZ gGmbH in Offenbach gegründet, wird er vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen sowie mit europäischen Mitteln aus dem Fonds für regionale Entwicklung EFRE gefördert. 2020 findet der Hessische Gründerpreis in Kassel statt. Schirmherr ist der Hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir.