“Am Anfang eines jeden Enactus-Projekts stehen gesellschaftliche Probleme”. Die beiden Initiatoren von ENACTUS Goethe Uni Frankfurt, Anna Wolff & Marius Messerschmied im Interview

Bereits 1975 in den USA gegründet, steht enactus für ENtrepreneurial, ACTion, US-uns! (ursprünglich SIFE – Students In Free Enterprise). Heute ist die nicht-staatliche, unpolitische Non-Profit-Organisation enactus an über 1.800 Universitäten in 47 Ländern weltweit vertreten und damit eine der größten internationalen Studierendenorganisationen der Welt.

Die Idee dahinter und das Ziel von enactus ist es Studierenden bereits während des Studiums eine Plattform und Infrastruktur bereit zu stellen um ihr theoretisches Wissen in selbstbestimmte Praxisprojekte einzubringen, von deren Entwicklung die jeweilige Region und die Menschen profitieren sowie persönliche Kontakte zu Entscheidungsträgern aufzubauen.

Studenten können so in einem offenen, unternehmerischem Umfeld im Rahmen ihrer Projekte praktische Erfahrungen sammlen und Lernen was es heißt eine Idee in eine Geschäftsidee und später in ein Start-up mit sozialem Charakter zu verwandeln. Auf diese Weise geben die Studierenden ihr Erfahrungs- und Projektwissen an andere weiter und eröffnen so als Unternehmer im besten Sinne wirtschaftliche Perspektiven für Dritte.

Nationale Wettbewerbe und der World Cup, bei denen die Enactus-Projekte von den Studenten dem Top-Management bedeutender nationaler und internationaler Unternehmen präsentiert werden biete zudem einen sportlichen Anreiz und wertvollen Austausch.

Seit diesem Sommer ist enactus nun dank dem Unternehmergeist der beiden Studenten Anna Wolff und Marius Messerschmied auch an der Goethe Uni in Frankfurt eingekehrt. Im Interview verraten uns die beiden, wie Sie das Interesse an Entrepreneuship und das unternehmehrische Geschehen unter den Studenten einschätzen und wie Sie die Ideen für einzelne Projekte entwickeln.

RMS: Hallo Anna, hallo Marius. Bitte stellt euch kurz vor, wer seid ihr und was macht ihr?

Anna W. & Marius M.: Hallo! Wir studieren beide an der Goethe Universität Wirtschaftswissenschaften. Nach dem Abitur 2011 sind wir zum Studium nach Frankfurt gezogen und sind nun im dritten Semester. Wir interessieren uns beide für Entrepreneurship und bilden seit Juni 2012 die Teamleitung von Enactus Goethe Uni Frankfurt

RMS: Wie enstand die Idee Enactus auch an die Goethe Uni zu bringen?

Anna W. & Marius M.: Wir hatten uns im ersten Semester unseres Studiums nach studentischen Initiativen umgeschaut die einen sozialen aber dennoch wirtschaftlichen Charakter haben. Von Enactus hatten wir an anderen Universitäten gehört und waren begeistert von der Idee, durch unternehmerische Projekte einen positiven Beitrag für die Gesellschaft leisten zu können. Das Ziel ist es benachteiligten Menschen dabei zu helfen, eine wirtschaftliche Grundlage für sich zu schaffen und ihre Lebensqualität dadurch dauerhaft zu erhöhen. Dies wird durch das gemeinsame entwickeln und umsetzen von Projekten in einem interdisziplinären Team erreicht.
Diese Gedanken gefielen uns sehr, doch leider gab es die Initiative nicht an der Goethe Uni. Da dachten wir uns, dass man das ändern muss – also haben wir losgelegt.

Das Team von enactus an der Frankfurter Goethe-Universität
Das Team von enactus an der Frankfurter Goethe-Universität

Anna W. & Marius M.: Am Anfang eines jeden Enactus-Projekts stehen gesellschaftliche Probleme auf die wir durch Beobachtungen im alltäglichen Leben oder auch durch Zeitungen, Blogs und Videos stoßen.
Aus dem großen Spektrum von Themen greifen wir dann speziell ein Problem heraus, konkretisieren es und versuchen, die davon betroffenen Menschen genau zu benennen. Im nächsten Schritt brainstormen wir erste Problemlösungsansätze die Menschen dazu befähigen sollen, ihren Lebensstandard und ihre Lebensqualität zu verbessern.
Hierbei achten wir vor allem auf die Umsetzbarkeit, Nachhaltigkeit und den Einfluss, den diese Projektideen haben.

Neben der komplett eigenen Entwicklung von Projekten gibt es auch sogenannte One Enactus Projekte. Dabei werden Ansätze von anderen Teams übernommen, weiterentwickelt und an die Region angepasst. Eines unserer derzeit 4 Projekte ist ein solches Projekt, bei dem der Problemlösungsansatz von Enactus Mannheim stammt. Wir haben uns ihre Rhein Neckar Kiste (www.rhein-neckar-kiste.de) als Vorbild genommen, die mit regionalen Produkten gefüllt ist. Mit dem Erlös dieser Kisten unterstützen sie soziale Einrichtungen im Raum Rhein-Neckar. Derzeit entwickeln wir das Konzept weiter und passen es an unsere Region an – der Verkaufsstart für unsere “Frankfurter Kiste” ist im Frühjahr 2013.

RMS: Wie finanziert ihr euch als Non-Profit Organisation?

Anna W. & Marius M.: Als Starthilfe haben wir von unserem Fachbereich eine finanzielle Unterstützung bekommen. Jedes Enactus Team kümmert sich darüber hinaus selbständig darum, Sponsoren zu finden. Wichtig ist jedoch, dass die Sponsorengelder immer im Zusammenhang mit einem konkreten Zweck stehen – das kann zum Beispiel die Anschubfinanzierung für ein bestimmtes Projekt oder das Drucken von Postern für eine Marketingaktion sein.
Alle Enactus Projekte unterliegen dem Gedanken, dass sie selbsttragend sein sollen, damit die Nachhaltigkeit der Projekte gewährleistet werden kann. Daher versuchen wir auch schon von vornherein unsere Projekte so zu planen, dass wir möglichst wenig auf Sponsorengelder angewiesen sind.

RMS: Welche Hindernisse waren zu bewältigen bevor es los gehen konnte?

Anna W. & Marius M.: Wir hatten gedacht, dass sich die Gründung der Initiative schwieriger gestalten würde als es letztendlich der Fall war. Uns wurde berichtet, dass es in der Vergangenheit manchen neuen Initiativen schwer fiel, Anklang zu finden und über die Gründung hinaus zu kommen. Nach einem Telefonat mit der Landeskoordinatorin von Enactus wurden wir zu einem deutschlandweiten Event eingeladen, bei dem wir uns mit den anderen Teams austauschen und einen guten Einblick in die Organisation bekommen konnten. Die “Akkreditierung” an der Goethe Universität verlief nach einem Gespräch mit der Leiterin des SSIX-Student Services des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften (und dem Schreiben einer Satzung) reibungslos. Auch die Suche nach motivierten Mit-Gründern und Unterstützung seitens der Universität und der  Business Advisors stellte kein Problem dar, da sie von der Idee ähnlich begeistert waren wie wir. Zusammen mit sechs Kommilitonen aus dem Freundeskreis starteten wir dann.

RMS: Wie habt ihr die mittlerweile rund 30 Mitglieder gefunden?

Anna W. & Marius M.: Zusammen mit diesen sechs Kommilitonen und zwei weiteren, die kurz nach der Gründung noch hinzukamen, arbeiteten wir an ersten Projektideen, der Teamstruktur und Zielen. Zu Beginn des Wintersemesters 2012/2013 haben wir Enactus dann sowohl bei der E! Woche, der Auftaktveranstaltung für Erstsemester Studenten des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften als auch bei der UniStart Messe, die fachbereichsübergreifend ist, vorgestellt. Zudem hielten wir noch eine Infoveranstaltung für alle, die nicht bei den Erstsemesterveranstaltungen dabei waren. Uns ist es wichtig, verschiedene Semester und Studiengänge im Team vertreten zu haben. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden: 31 Studenten aus 6 Fachbereichen, allen Bachelor und manchen Mastersemestern und mit einem Frauen/Männer-Verhältnis von 16 zu 15! Wir sind motiviert und freuen uns darauf, die Projekte umzusetzen und gemeinsam Erfolge zu erzielen.

RMS: Was macht ihr um euren Bekanntheitsgrad noch zu erhöhen?

Anna W. & Marius M.: Zum einen versuchen wir mit möglichst vielen Leuten in und auch außerhalb der Uni über Enactus zu sprechen, wie an dieser Stelle zum Beispiel 😀 – es ist wirklich interessant zu beobachten, wie es sich rumspricht und immer mehr Studenten uns auf die Initiative ansprechen. Zum anderen haben wir gerade ein Marketing-Team gebildet das zukünftige Marketingaktionen plant um unsere Bekanntheit an der Uni aber auch in der Region gezielt zu steigern. Bisher läuft vieles noch über facebook, ab Mitte Dezember werden wir aber auch eine eigene Teamhomepage und einzelne Projekthomepages haben.

RMS: Wo wollt ihr mit Enactus in einem Jahr, in zwei stehen?

Anna W. & Marius M.: Unser übergeordnetes Ziel ist es, durch unsere Projekte möglichst vielen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und dieses auch spüren und messen zu können.
Uns ist es wichtig, dass wir das mit einem starken Team von motivierten Studenten erreichen. Um das in Zahlen zu fassen: Eine Teamgröße von 50-60 aktiven Studenten, aus so vielen Fachbereichen wie möglich, ist unser Ziel für das nächste Wintersemester. Das ermöglicht uns, gleichzeitig an 8-9 Projekten zu arbeiten und trotzdem noch einen guten Überblick über das Team zu behalten.
Außerdem wollen wir, und das geht nur durch ein starkes Team, in zwei Jahren die ersten Projekte vollständig in die Hände von Sozialpartnern übergeben haben. Somit kann die Nachhaltigkeit der Projekte gewährleistet werden und wir können uns mit neuen Problemen und Projektlösungen befassen.
Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, den Enactus Spirit an der gesamten Goethe Universität, und auch darüberhinaus, zu verbreiten und damit sowohl Entrepreneurship, als auch ehrenamtliches Engagement der Studenten zu fördern.

RMS: Wie schätzt ihr das Interesse der Studenten an der Goethe Universität hinsichtlich Entrepreneurship ein?

Anna W. & Marius M.: Mit der steigenden Popularität von Entrepreneurship in Deutschland, und auch in der Rhein Main Gegend, wächst natürlich auch das Interesse der Studenten. Sowohl Gastvorträge, organisiert von FRAppe, TEDx Rhein Main events als auch der Wirtschaftsenglischkurs “The Entrepreneur” sind gut besucht.

Allerdings denken wir, dass es insbesondere bei Bachelor Studenten noch Potential gibt, mehr Interesse zu wecken. Für viele sind Start-ups und die Kultur, die sie umgibt, völlig fern, da sie sofort an Silicon Valley und Tech Firmen denken. FRAppe hat einen tollen Weg eingeschlagen, die Studenten durch Vorträge und workshops mit Unternehmern in Kontakt zu bringen.
Uns liegt das Unternehmerische sehr am Herzen und “Entrepreneurial Action by Us”, bringt das sehr schön zum Ausdruck. Um diese Komponenten zu fördern, betrachten wir unsere Initiative selbst als eine Art “start-up”. Wir arbeiten mit Projektmanagement tools wie asana, strukturieren unsere Projekte in Zukunft mit der Business Model Canvas und setzen auf flexible Strukturen – somit wollen wir mit Enactus die Möglichkeit bieten, unternehmerisch tätig zu werden, und dabei gesellschaftlichen Einfluss zu nehmen.

RMS: Vielen Dank für die spannenden Einblicke und viel Erfolg weiterhin bei der Verfolgung eurer Vision!

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