Was passiert, wenn chirurgische Erfahrung auf Unternehmergeist trifft? Gründerin und Ärztin Charlotte Detemble möchte mit ihrem Startup Capreolos die präoperative Versorgung revolutionieren – und zeigt, wie wichtig Austausch und Netzwerke für Frauen im Gesundheitswesen sind. Ein Gespräch über den Gewinn des Female StartAperitivo Frankfurt, über Chancen in der Region und darüber, warum man nicht alles allein können muss.
Wer bist du und was steckt hinter deinem Startup?
Ich bin Charlotte Detemble, Ärztin in Weiterbildung am Knappschaftsklinikum Bochum und Co-Gründerin von Capreolos. Parallel zu meinem Medizinstudium habe ich einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen – eine Kombination, die mir gezeigt hat, wie wichtig unternehmerisches Denken auch im Gesundheitswesen sein kann.
Capreolos entwickelt eine digitale Lösung zur Prähabilitation – also zur Vorbereitung von Patientinnen auf große Operationen. Unsere App begleitet Patientinnen in den Wochen vor ihrer Operation mit personalisierten Trainings-, Ernährungs- und Informationsprogrammen. Als CFO bringe ich die betriebswirtschaftliche Seite ein, während meine medizinische Ausbildung mir hilft, die klinischen Bedürfnisse zu verstehen.
Deine App bereitet Patient*innen auf Operationen vor – ein Thema, das viele Menschen emotional berührt. Wie kam es dazu, dass du dich genau diesem sensiblen Moment im Gesundheitswesen widmest?
Die Idee entstand aus meiner Arbeit im Krankenhaus. Ich habe gesehen, wie unterschiedlich Patient*innen auf große Operationen vorbereitet sind – und welchen Einfluss das auf den Verlauf haben kann.
Viele Patient*innen kommen ängstlich und unsicher zur Operation. Die Zeit davor ist oft von Hilflosigkeit geprägt – sie warten auf den OP-Termin und fühlen sich passiv. Mit Prähabilitation können wir ihnen Kontrolle zurückgeben: Sie können sich aktiv vorbereiten, etwas tun. Das ist nicht nur medizinisch sinnvoll, sondern auch psychologisch wichtig.
Meine Promotion beschäftigt sich mit der Erfassung von chirurgischen Komplikationen. Dabei wird mir bewusst: Viele Komplikationen könnten vermieden werden, wenn wir Patient*innen besser vorbereiten.

Rückblick Juni 2025 zum Female StartAperitivo Frankfurt:
Mit ihrer innovativen Lösung im Bereich Health-Tech überzeugte Charlotte Detemble die Jury und sicherte sich den Einzug ins große Finale in Berlin.
Dort trat sie gegen die Siegerinnen der anderen Städte an und auch wenn der Titel “Female StartAperitivo Gewinnerin 2025” an Victoria Schoeffel mit Belle Health ging, hat Charlotte FrankfurtRheinMain auf der bundesweiten Bühne stark vertreten.
Du hast beim Female StartAperitivo in Frankfurt gewonnen. Was hat dir das Feedback der Jury oder des Publikums besonders bedeutet – und was nimmst du aus dem Wettbewerb mit?
Der Gewinn war für mich ein wichtiges Signal, dass unser Ansatz ernst genommen wird. Besonders gefreut hat mich das Feedback, dass wir ein echtes Problem angehen.
Was ich mitnehme: Erstens, die Bestätigung, dass die Verbindung von klinischer Erfahrung und unternehmerischem Denken hilfreich sein kann. Als Ärztin kenne ich die Probleme aus der Praxis. Zweitens, wertvolle Kontakte zu anderen Gründerinnen, die ähnliche Herausforderungen kennen. Der Austausch hilft enorm, besonders wenn man die Gründung neben der klinischen Arbeit macht. Drittens, mehr Mut. Der Wettbewerb hat mir gezeigt, dass der Dialog mit anderen hilft, das Konzept weiterzuentwickeln.
Du bist Gründerin im Gesundheitswesen, einem Bereich, in dem Frauen als Gründerinnen noch unterrepräsentiert sind. Welche Rolle spielen Netzwerke oder Programme wie Female StartAperitivo für dich persönlich?
Netzwerke wie Female StartAperitivo sind für mich sehr wichtig:
Sie bieten einen Raum zum Austausch. Als Ärztin in der Chirurgie arbeite ich oft in männerdominierten Umfeldern. Solche Programme zeigen mir: Es gibt andere Frauen, die ähnliche Wege gehen und ähnliche Herausforderungen haben.
Sie öffnen auch Türen zu Investor*innen, Mentor*innen und Partner*innen, die Diversität fördern.
Und sie bieten Role Models. Konkrete Vorbilder von Frauen, die Medizin, Chirurgie und Unternehmertum verbinden, sind selten. Programme wie dieses machen solche Wege sichtbar.
Frankfurt ist kein klassischer MedTech-Standort. Welche Chancen siehst du hier dennoch und wo wünschst du dir mehr Unterstützung?
Frankfurt hat Potenzial:
Die Universitätsklinik ist ein guter Partner für klinische Forschung und Validierung. Die Finanzinfrastruktur der Stadt ist hilfreich für Startups, die Finanzierung brauchen. Und die Nähe zu anderen Standorten im Rhein-Main-Gebiet bietet Vernetzungsmöglichkeiten.
Was ich mir wünsche: Mehr MedTech-spezifische Programme und Inkubatoren. Bessere Vernetzung zwischen Universitätsklinik, Universität und Startup-Szene – diese Welten existieren oft noch parallel. Und mehr Risikokapital, das Healthcare-Expertise mitbringt und versteht, dass MedTech andere Timelines hat als klassische Tech-Startups.
Welche Vision hast du für dein Startup in den kommenden Monaten bzw. Jahren?
Kurzfristig wollen wir unsere App in ersten Pilotprojekten mit Kliniken testen – klinische Studien durchführen, Outcomes messen, Feedback sammeln.
Mittelfristig würde ich gerne dazu beitragen, dass Prähabilitation als Standard in der präoperativen Versorgung etabliert wird – zunächst in Deutschland. Prähabilitation sollte selbstverständlicher Teil der Behandlung werden.
Langfristig hoffe ich, dass mehr Patient*innen vor großen Operationen Zugang zu guter Vorbereitung bekommen.
Persönlich möchte ich beide Welten verbinden können – Chirurgie und Innovation. In 5-10 Jahren sehe ich mich als habilitierte Oberärztin in der akademischen Viszeralchirurgie.
Wenn du anderen Gründerinnen einen Rat mit auf den Weg geben könntest: Was hättest du gerne selbst früher gewusst?
Du musst nicht alles können. Am Anfang dachte ich, ich müsste alles selbst beherrschen. Das ist unrealistisch. Es geht darum, die richtigen Leute zu finden, die ihre Stärken einbringen.
Deine Zeit ist wertvoll – schütze sie. Die Kombination aus Klinik, Promotion und Startup ist fordernd. Ich hätte früher lernen sollen, Prioritäten zu setzen und “Nein” zu sagen.
Für Healthcare-Gründerinnen: Lass dich nicht von der Komplexität des Gesundheitssystems abschrecken. Genau deshalb braucht es Menschen mit Expertise, die Probleme von innen heraus verstehen. Dein medizinischer Hintergrund ist ein Vorteil.
Weitere Beiträge
Charlotte Detemble ist Gewinnerin Female StartAperitivo 2025 in Frankfurt, hier erfahrt ihr mehr über den Abend. Die Frankfurter Rundschau nahm das Event ebenfalls in den Fokus und zeigte, wie vielfältig die Gründerinnen-Szene ist. Hier geht es zum Artikel.
Im Jahr 2023 schloss Capreolos eine Seed-Finanzierung mit der bmh Beteiligungs-Managementgesellschaft Hessen mbH als Leadinvestor sowie weiteren Bestandsinvestoren ab. Hier geht es zum Artikel.
