Frankfurt ist Deutschlands Bankenstadt. Deshalb wundert es nicht, dass die Commerzbank ausgerechnet hier einen Inkubator ansiedelte, der Finanzdienstleister mit Start-ups zusammenbringt: Der main incubator möchte den Wandel in der Finanzdienstleistungsbranche vorantreiben.
Am 2. Dezember 2014 lud das main incubator Team wiederholt zu einem Event aus der Reihe „Between the Towers – FinTechCity_Frankfurt“ ein. Drei Start-ups durften sich dem Publikum bei einem achtminütigen Pitch vorstellen: United Signals, Comonea und PayCash. Den unbestrittenen Mittelpunkt der Veranstaltung bildete jedoch der Vortrag von Frank Thelen – Seriengründer und Investor aus der VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen“.
In seinem lockeren Hemd und einer Jeans unterschied Frank sich äußerlich deutlich von seinem Publikum, das zu 94 Prozent aus männlichen, blasshäutigen Artgenossen im dunklen Anzug bestand. Doch es sind die Unterschiede, die einen Wandel beflügeln. Und so ergaben sich viele spannende Diskussionen, bei denen das gute Gefühl aufkam, jeder könne tatsächlich von jedem lernen.
Im Laufe des Abends durfte ich dann nicht nur feststellen, dass Frank Thelen ein sympathischer Seriengründer ist, der gerne zu Anglizismen greift und weiß, was er will. Frank beantwortete auch bereitwillig ein paar Fragen, die Paul und ich uns für ihn ausgedacht hatten.
Wie kommt man darauf, ein Seed-Investor zu werden?
Ich bin Gründer geworden, weil ich ein Problem, das ich hatte, lösen wollte. So bin ich da rein gestolpert. Nach ein paar Fehlversuchen ist uns der erste Exit gelungen. Wir hatten das Geld also beiseite gelegt und uns gesagt ‚Wir investieren das jetzt in ein paar Start-ups. Wenn es weg ist, ist es weg.’ Wir wollten einfach etwas zurückgeben. Ich hatte nie geplant, erfolgreicher Investor zu werden. Ich glaube, Seed-Investoren sind fast immer erfolgreiche Gründer, die sagen ‚ich will etwas zurückgeben’.
Das bringt mich auch zu dem Punkt: Wir brauchen ein 360° System. Das heißt, es geht nicht nur um ‚Seed-Money’. Du brauchst ein funktionierendes Start-up ‚Eco-System’. Wenn nur ein Glied in der Kette fehlt, ist das ganze System kaputt.
Wie bist Du zu der Sendung “Die Höhle der Löwen” gekommen?
Ich war bei einem Event, das ‚Private Investor Circle’ heißt, organisiert vom High Tech Gründerfonds. Die Leute, die zu diesem Event eingeladen werden, müssen ‚an der Bar’ 100.000 Euro für ein Start-up ausgeben können. Ein Kumpel von mir, Oliver Thylmann, der Adcloud an die Post verkauft hatte, meinte: ‚Mein Nachbar macht da so eine Show – willst Du Dir das mal angucken?’
Ich sagte ‚Oh, Fernsehen. Nee, keine Ahnung.’ Eigentlich dachte ich ‚stay away’. Dann habe ich aber mit den Jungs von Sony gesprochen – ein richtig geiles Team, geile Mission. Und ‚Shark Tank’ ist in den USA die Familienunterhaltungssendung ‚Number One’. Die haben zehntausende Arbeitsplätze geschaffen. Diese Show liegt mir am Herzen. Ich glaube, sie kann ein wichtiger Baustein des 360° Systems sein.
Vielleicht arbeiten wir bereits intensiv an der zweiten Staffel. (Anmerkung: Die Aussage wird von einem Grinsen begleitet.)
Entwickeln sich die Investments aus der Sendung so, wie Du es Dir vorgestellt hast? Was sind die Tops, was die Flops?
Investments entwickeln sich niemals wie vorausgesehen. Deswegen investiere ich in Teams, Produkte, Märkte. All das eher makro-perspektivisch. Einfach zu sagen ‚geile Finanzplanung’ – so geht das nicht.
Das heißt konkret: Es gibt zwei Sterne. Der eine ist ‚Meine Spielzeugkiste’, der andere ‚Crispy Wallet’, was heutzutage ‚Slim Sleeve’ heißt. Ich habe mit beiden brutal eng am Produkt gearbeitet und man kann sagen, es trägt stark meine Handschrift. Beide Unternehmen sind ziemlich erfolgreich. Andere Dinge liefen nicht so gut, aber wir lernen in der Show – Start-ups bedeuten auch immer Risko. Daher: zwei Sterne. Mal sehen wie viele Sterne wir aus der zweiten Staffel holen.
Was gibt den Ausschlag, wenn Du investierst: ein überzeugender Gründer oder ein überzeugendes Produkt?
Ich kann und will einen Gründer nicht verändern, deshalb muss beides stimmen. Und, weil ich weiß, wir werden eine lange Schlangenlinie befahren, bevor wir irgendwo angekommen sind.
Hast Du je ein Unternehmen verkauft, das Du lieber behalten hättest?
Oh ja – kaufDA. kaufDA haben wir viel zu früh verkauft. Das ärgert mich extrem. Aber so etwas ist immer dabei. Es ist schwierig, den richtigen Exit-Zeitpunkt zu finden.
Was wir deshalb in der e42 (Anmerkung: Beteiligungsfirma, bei der Frank Managing Director ist) machen: Wir überlassen es dem Founder. Wenn der Founder sagt ‚Ich möchte verkaufen.’, dann sagen wir ‚fein’. Denn unser Antrieb ist nicht monetär. Wir wollen damit kein Geld verdienen, sondern geile Produkte bauen, mit guten Leuten. Das treibt uns an. Wir haben keine ‚limited Partner’ oder sonst wen. Wenn dieses Geld weg ist, können wir uns immer noch eine Pizza bestellen.
Wie wichtig ist die Kommunikation über sozialen Medien für Dich? Und, hilft Dir jemand dabei oder verfasst Du alles selbst?
Ich schreibe alles selbst. Und soziale Medien sind ziemlich wichtig für mich. Ich muss offen gestehen, es war recht peinlich, wie lange es gebraucht hat, bevor ich Twitter verstanden habe. Bei der ‚Höhle der Löwen’ gab es eine lange Diskussion darüber, ob wir einen Twitter-Account haben wollen. Den habe ich dann eingeführt. Und wir haben während der Show eine brutal geile Interaktion gehabt. Auf diesem Second Screen hatten wir richtig gute Diskussionen.
Ich liebe also Twitter. Facebook ist nicht mein Ding. Ich habe zwei Tausend Freundschaftsanfragen, die ich sicherlich nicht beantworten werde.
Bei einer TNW (The Next Web) – Keynote sagtest Du, Du seiest mit der analogen Welt nicht kompatibel. Schaltest Du je Dein Smartphone aus?
Es ist unheimlich wichtig, auch mal die Natur zu genießen, Sport zu machen usw.
Wir sind gerade in einer ‚Smartphone Bubble’. Es laufen alle mit diesen Dingern herum. Dieses ständige Starren auf den Bildschirm ist nicht gut und wird abnehmen. Inzwischen gibt es immerhin Smart Watches. Google Glass hat leider nicht so funktioniert.
Ich versuche, in Meetings und wenn ich persönliche Abendessen wahrnehme, mein Telefon wegzutun. Ich glaube, ich bin darin relativ gut.
Hast Du je etwas von der Rhein-Main Start-up-Szene gehört?
Nein. Ich bin ein ehrlicher Typ, der keinen Chef hat, deshalb kann ich darauf ehrlich antworten. Das höchste Gut übrigens, was ich habe – ich kann jedem sagen, was ich meine. Und meine Meinung ist: Ich glaube, wir brauchen keine Rhein-Main Start-up-Szene. Ich glaube, wir brauchen Berlin.
Und ich selbst bin gar kein Berliner. Ich komme aus Bonn, lebe noch in Bonn und werde dort aus verschiedenen Gründen auch bleiben. Für mich ist also Berlin auch eine Art ‚pain in the ass’. Aber wir brauchen dieses 360° System. Man kann nicht überall ein ‚Eco-System’ aufbauen. Das ist Schwachsinn. Wir brauchen also Berlin. Natürlich können wir auch woanders gute Start-ups bauen – in Hamburg, Bonn oder München. Aber wir brauchen ein ‚Center’ und das muss Berlin sein, damit wir alles an einer Stelle haben. Die Venture Capitalists aus den USA wollen nicht nach München, Köln und dann noch Berlin fliegen.
(Anmerkung: Frankfurts Rolle als Stadt mit dem größten Flughafen ist bei dieser Betrachtung irrelevant. Schließlich haben die Venture Capitalists Privatflugzeuge. Und die können landen wo sie wollen.)
Werden wir es schaffen, “made in Germany” auch in der Informationsgesellschaft als “Gütesiegel” zu etablieren? Oder bleibt das ein Relikt des Industriezeitalters?
Es ist sehr traurig. ‚Made in Germany’ steht zum Beispiel für hochwertige Autos. Aber wir haben es nicht geschafft, auch nur irgend einen ‚Brand’ in das neue Zeitalter zu übertragen. Spotify ist das einzige europäische Start-up von Bedeutung. Wunderlist könnte es auch schaffen.
Doch es ist, als würdest Du essen gehen und auf dem Parkplatz stehen nur chinesische Autos. So ist das bei Software. Alle Software kommt aus den USA. Deutschland oder Europa sind in dieser Branche nicht existent. Daran kann auch die Bundeskanzlerin leider so schnell nichts ändern. Wir müssen transportieren, dass wir etwas verpasst haben. Denn die Dramatik ist nicht allen klar. Wir müssen die Leute aufwecken.
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