Frankfurt am Main: Kluge Köpfe und Wagniskapital

In Frankfurt gründen Internet-Unternehmer besonders gern – wegen der Fachkräfte
Eine Studie des ZEW weist Frankfurt den Spitzenplatz zu bei Unternehmensgründungen in der High-Tech-Branche. Drei junge Firmen, die Menschen im Internet suchen und zueinander bringen, betreiben ihre Internetseiten von Frankfurt aus – weil sie hier auf einfachem Wege gut ausgebildete Mitarbeiter und geduldige Investoren finden.

Carsten Schmidt war auf der Suche nach einem guten Gärtner. Erst mit dem, der ihm empfohlen wurde, war er zufrieden: „Der Gärtner empfahl einen erstklassigen Schlosser, der kannte einen prima Elektriker, und der wusste einen guten Zimmermann.“ Zuvor hatten Carsten Schmidt und sein Kollege John Goddard schlechte Erfahrungen mit unzuverlässigen Handwerkern und unsanften Zahnärzten gemacht – jetzt gebaren sie eine Idee: Eine Internet-Plattform, die gute Handwerker und zufriedene Kunden zusammenbringt, kennstdueinen.de. Die Seite sollte keine Liebhaberei fürs Wochenende sein, sondern eine berufliche Aufgabe. Daher haben sie eine Firma gegründet, die mittlerweile „WinLocal“ heißt und vor Ideen sprüht: ein sogenanntes „Startup-Unternehmen“.

Spitze in der Republik

Frankfurt und sein Einzugsgebiet sind eine ideale Region für junge Internetfirmen, die Main-Metropole ist IT-Gründerhauptstadt der Republik. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat das in einer Studie festgestellt – obwohl bislang immer die Bundeshauptstadt mit ihren günstigen Mieten als die Gründerhochburg schlechthin galt. „Alle wollen immer nach Berlin, das verstehen wir gar nicht“, sagt John Goddard und schmunzelt. „Ich habe Frankfurt kennen gelernt und lieb gewonnen: Die Qualität der Mitarbeiter ist sehr gut; die Preise sind höher, sie sind aber besser ausgebildet.“ So sehen es auch die Wissenschaftler vom ZEW: Wo viele Hochschulen sind, gibt es hervorragend qualifizierte Fachkräfte – und auch mehr Firmengründer. Ähnlich wie im Silicon Valley ist die hohe Dichte an klugen Köpfen, furchtlosen Jung-Unternehmern und Töpfen voller Wagniskapital in Frankfurt ein wichtiger „Inkubator“ für Gründungen.

Akademiker, Arbeitslose, Aussteiger

Drei Arten von Gründern lassen sich identifizieren: Junge Uni-Absolventen, die ihre Forschungsergebnisse in einer eigenen kleinen Firma weiterentwickeln und vermarkten, dann Arbeitslose oder unzufriedene Angestellte, die sich selbstständig machen wollen, und schließlich gestandene Manager großer Konzerne, die wieder zurück möchten in die kreative Atmosphäre junger IT-Unternehmen. Wie John Goddard etwa: Er war bei Procter & Gamble, Fondsgesellschaften und Banken beschäftigt, ehe „kennstdueinen“ startete. Achteinhalb Mitarbeiter hatte das junge Unternehmen noch vor drei Jahren, jetzt sind es 31 – und diese basteln quirlig an neuen Produkten, die Investoren glauben an die Geschäftsidee, haben Anfang des Jahres in einer dritten Investmentrunde frische sieben Millionen Euro bereitgestellt. Startups machen in der Anfangsphase so gut wie keinen Umsatz und sind daher auf Geldgeber und sogenannte „Business Angels“ dringend angewiesen – der größte Business-Angels-Verein sitzt, wenn wundert’s, natürlich ebenfalls in Frankfurt.

Standortvorteil kluge Köpfe

Auch Gerhard Oellinger hat eine eigene Firma gestartet. Der Chef von „Mamiweb“ war lange bei PriceWaterhouseCoopers in Frankfurt – ehe er „etwas Eigenes machen wollte“. Zuerst rief er eine Single-Börse in Österreich ins Leben, dann eine Kontaktplattform für werdende oder frisch gebackene Mütter – mamiweb.de. „Ich hatte die Idee bereits im Jahr 2006, als eine schwangere Freundin in Frankfurt andere Leute suchte, die auch in ihrer Lebenssituation sind.“ Seitdem wächst das Unternehmen, das im trendigen und kinderreichen Stadtteil Bornheim sitzt, hat acht Mitarbeiter und wird von einer Business-Angels-Initiative aus der Schweiz finanziert. Der Verlag Gruner + Jahr vermarktet die Webseite mittlerweile über sein Magazin „Eltern“. „Die Fachkräfte sind der wichtigste Faktor“, bestätigt Oellinger den „Standortvorteil“ des Rhein-Main-Gebietes. Die Qualifikation und Kreativität der Menschen sind für ein Startup sogar wichtiger als etwa die Breitband-Netzanbindung.

Standortvorteil Internationalität

Wegen der Serverkapazitäten, aber vor allem wegen des guten und mehrsprachigen Personals an den Main gezogen ist Yasni.de – eine Personensuchmaschine und mittlerweile eine der 30 meistgeklickten Webseiten Deutschlands. Mit zehn Personen arbeitet das Startup im Mertonviertel, unterhält aber auch in Leipzig eine Dependance. Die kleine Firma steht kurz davor, den Startup-Status zu verlassen: Yasni.de verdient untypischerweise Geld, hat vor einem halben Jahr den so genannten „Break Even“ geschafft. „Anfangs sind wir vom Nutzeransturm überrollt worden, so Yasni-Sprecher Florian Schütz. „Mittlerweile kommt die Hälfte der Anfragen aus dem Ausland, aus Großbritannien, Spanien, Frankreich und Italien“. Seine Auslandsexpansion wird Yasni aber vom Main aus vorantreiben – mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die fließend die Sprachen der Länder sprechen, in denen die Firma ihre Suchdienste künftig anbieten wird. Frankfurts Internationalität sorgt so für Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum.

Büros und Know-how von der Stadt

Und die Stadt unterstützt ihrerseits kleine und Kleinstunternehmer – im „[MAINRAUM]“ im Ostend stellt die Wirtschaftsförderung etwa 18 Büros zur Verfügung, die Mieten sind erträglich, die Vertragslaufzeit mit einem Jahr überschaubar. Mietvoraussetzung: ein Businessplan. Vor allem „Kreative“ nutzen das Haus, profitieren von gemeinsamen Gesprächen in der Lobby und offiziellen Vorträgen – und manche haben beim Kaffee auf dem Balkon schon einen unerwarteten Auftrag ergattert. Jede Branche braucht ihr eigenes „Gründerzentrum“, daher gibt es über die Stadt verteilt mehrere: das Kompass-Zentrum in der Hanauer Landstraße, das FIZ am Riedberg. Im „Coworking-Space“ in der Kaiserstraße und der „FriendsFactory“ in Sachsenhausen finden Gründer ebenfalls Unterschlupf – Büroraum genug also für die quirligen und chronisch unterfinanzierten Mini-Unternehmen, die – wer weiß – irgendwann sogar auf dem Kurszettel der Deutschen Börse stehen könnten.

Frankfurt am Main (pia), Harald Ille

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